Abendzeitung Nürnberg, 05.06.2012

Hungerstreik: Iraner nähen sich den Mund zu

Aktion stöß bei Landesleuten in Würzburg auf Kritik


"Das haben wir gestern Nacht gemacht", berichtet der Iraner Arash D. am Montag in einem Zelt in der Würzburger Fußgängerzone. An seinen Lippen zeichnen sich die dünnen Fäden ab. Er und sein Freund Mohamed H. haben sich den Mund zugenäht. Aus Protest gegen ihre bisher nicht erfolgte Anerkennung als politisch Verfolgte und die allgemeine Situation von Asylbewerbern in Bayern sind sie damit am Montag in den Hungerstreik getreten. Mit der Aktion stoßen sie allerdings in den eigenen Reihen auf Kritik.

Die Prozedur habe der Iraner selbst an sich vorgenommen, erläutert D. Mehr will er nicht preisgeben und verweist auf eine Erklärung im sozialen Netzwerk Facebook. Dort heißt es: "Es gibt nichts mehr zu sagen, es wurde alles gesagt." Für diesen "gezielten und bewussten Kampf" habe man sich in "körperlicher und geistiger Gesundheit" entschlossen.

Die Aktion stößt bei Landsleuten allerdings auf Kritik. "Ich bin absolut dagegen, mit solchen Maßnahmen zu arbeiten", sagt Shanaz Morattab, Vorsitzende der Internationalen Föderation Iranischer Flüchtlinge (IFIR). Alle Versuche, die beiden Asylbewerber zum Ende des Hungerstreikes zu bewegen, seien erfolglos gewesen. Auf Distanz geht auch Hassan Hosseinzadeh, der frühere Sprecher der Gruppe. "Die Entscheidung haben die zwei Leute persönlich getroffen. Sie wollen nicht mehr sprechen, mit niemandem", unterstreicht er.

Neben der persönlichen Anerkennung fordern die zwei Asylbewerber unter anderem eine sofortige Abschaffung der Gemeinschaftsunterkünfte und einen Abschiebestopp. Zudem soll die "menschenunwürdige Residenzpflicht" abgeschafft werden. Mit der Aktion wollen sie den "Protest radikalisieren und auf eine höhere Stufe der Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit heben", wie es heißt.

Der Arzt Rainer Schur, der die iranischen Flüchtlinge betreut, gab sich ebenfalls überrascht von der drastischen Aktion. "Ich habe keine Ahnung, wie sie das gemacht haben. Es sieht aber gut aus und ist auch nicht infiziert", sagt er. Er befürchtet allerdings, dass zusätzlich zu den beiden zwei weitere der zehn protestierenden Iraner in einen Hungerstreik treten könnten.

Bereits vor 80 Tagen haben sie mit einem Camp vor dem Rathaus mit dem Protest begonnen. Sechs haben inzwischen eine Anerkennung oder dürfen zumindest nicht abgeschoben werden. Doch auch sie beteiligen sich aus Solidarität weiter an dem Protest. Mohamed und Arash warten nun auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes.

Ralpf Bauer

Quelle: Abendzeitung Nürnberg

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