dapd, 23.11.2010

Hungerstreik in Augsburger Asylbewerberheim 23.11.2010 - 16:50

Die Proteste gegen die Zustände in bayerischen Asylbewerberheimen haben sich dramatisch verschärft. In Augsburg sind zahlreiche Flüchtlinge in einem Auffanglager in Hungerstreik getreten. "Wir streiken bis zum Tod", sagte der Sprecher der Flüchtlinge, der 21-jährige Samuel Rufus aus Nigeria am Dienstag. Auch der 50-jährige Jamae Ali Farah aus Somalia, der nach eigenen Angaben bereits seit vergangener Woche hungert, kündigte an, er werde kein Essen annehmen, bis er sterbe oder die Forderungen der Flüchtlinge erfüllt würden.

Laut Rufus beteiligen sich rund 80 bis 95 Prozent der 250 bis 300 Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft am Hungerstreik. Nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrats hungern rund 250 Personen. Eine Mitarbeiterin der Essensausgabe sagte dagegen, am Dienstag hätte sich noch etwa die Hälfte der Flüchtlinge ihre Essenspakete abgeholt.

Bereits seit vergangener Woche verweigern zahlreiche Flüchtlinge in Augsburg die Annahme der Essenspakete. Sie wollen stattdessen Bargeld, um sich eigenes Essen kaufen zu können, beispielsweise traditionelle afrikanische Speisen, wie Anna Feininger von der Flüchtlingsinitiative Augsburg erklärte. Zudem wollten sie mit ihren Aktionen auf die Bedingungen in den Lagern aufmerksam machen. So gebe es für 80 Personen fünf Toiletten, von denen zwei kaputt seien. Bis zu acht Personen lebten in einem Zimmer. "Der Hungerstreik ist ihr letztes Mittel", sagte Feininger.

"Die Menschen in den Flüchtlingslagern wollen auf eine ganze Reihe von Missständen aufmerksam machen", sagt auch Stefan Klingbeil vom bayerischen Flüchtlingsrat. Unter anderem forderten die Flüchtlinge eine bessere medizinische Versorgung und psychologische Unterstützung, mehr Privatsphäre, Deutschkurse, um eine Integration zu ermöglichen sowie "das Recht, zu arbeiten, um Steuern zu zahlen und sich selbst versorgen zu können".

Bei der Regierung von Schwaben heißt es, man habe bezüglich der Essenspakete keinen Spielraum. Das bundesweit gültige Asylrecht sehe nun mal das Sachleistungsprinzip vor. Es soll einer möglicherweise falschen Verwendung des Lebensmittelgeldes für Alkohol, Zigaretten oder andere Dinge vorbeugen. Der Sprecher der Regierung von Schwaben betonte, dass die Flüchtlinge aus einer langen Liste von Lebensmitteln aussuchen könnten. Niemand müsse etwas essen, das nicht seinen Gewohnheiten entspreche. Keinem Moslem werde Schweinefleisch aufgezwungen. Es gebe sogar spezielle Lebensmittelpakete für Kinder.

Insgesamt sind nach Angaben der Bezirksregierung derzeit 837 Flüchtlinge in fünf verschiedenen Unterkünften in Augsburg untergebracht, hinzu kommen noch einmal 52 Menschen im nahen Schwabmünchen. Auch sie könnten sich dem Hungerstreik demnächst anschließen, heißt es beim Flüchtlingsrat. Dieser appellierte am Dienstag an Staatsregierung und Landtag, die Verzweiflung der Flüchtlinge ernst zu nehmen. Man sei in "großer Sorge um die Gesundheit der Flüchtlinge".

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