Regensburg Digital, 02.02.2010

Hungerstreik im Flüchtlingslager

Bayerischer Durchschnitt – das sind die beiden Flüchtlingslager in Breitenberg und Hauzenberg (Landkreis Passau). Vor genau einer Woche sind hier 16 Asylbewerber aus Protest gegen die schlechten Lebensbedingungen in einen unbefristeten Hungerstreik getreten.

Einer der Hungerstreikenden ist der ehemalige kongolesische Fußball-Nationalspieler Belmond Dituabanza Nsumbu. 2006 schaffte er mit seiner Mannschaft den Einzug ins Viertelfinale des Afrika-Cups. Wenig später musste er aus dem Kongo fliehen, weil er durch einen Spitzel im Umfeld des Nationalteams als Kritiker der Regierung und Sympathisant der Opposition verpfiffen wurde. Der 28jährige kam über Frankfurt nach Bayern, lebt seit 2009 in Hauzenberg und ist dort den in Bayern besonders rigide umgesetzten Beschränkungen ausgesetzt: Lagerpflicht, das Verbot den Landkreis zu verlassen („Residenzpflicht”), Arbeitsverbot, Essenspakete statt Bargeld.

„Die Qualität der Lebensmittel ist schlecht”, sagt Nsumbu. „Das Essen ist oft fast abgelaufen, wenn wir die Pakete bekommen. Es gibt immer das gleiche und wir haben keine Möglichkeit, selbstständig über unser Essen zu entscheiden.“ Als unerträgliche Einschränkung empfinden die Flüchtlinge, dass sie nicht arbeiten und sich nicht ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen dürfen. Dazu kommt die Isolation durch die abgeschiedene Lage – ein Zustand, der bei den meisten bayerischen Flüchtlingslagern die Regel ist.

„Man gibt uns keine Möglichkeit, unsere Talente zu nutzen. Wir fühlen uns so isoliert hier“,erklärt ein Mann aus Sierra Leone, der in Breitenberg untergebracht ist. Mit 40 Euro „Taschengeld” im Monat ist es schwierig, das Lager zu verlassen, einen Großteil davon müssen die Flüchtlinge für Fahrten zu Behördengängen in Passau ausgeben. Zudem setzt die Residenzpflicht die Lagerbewohner im Landkreis Passau fest: „Nach München dürfen wir nur mit Genehmigung. Ständig werden wir kontrolliert, wer einen Tag zu spät zurück kommt,riskiert eine Strafe”, beschreibt Kabamba Ban Ibanda, der in Hauzenberg lebt, die Situation. „Ich bin ein Mensch und will mich in Bayern frei bewegen. Was man uns antut, ist psychische Gewalt.“

Schon lange beklagen Menschenrechtsorganisation und Parteien den Umgang mit Flüchtlingen. „Bayern zeichnet sich seit Jahren durch eine diskriminierende Asylpolitik aus, bei der die Aufnahme einer Arbeit verboten wird und Menschen über Jahre hinweg in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt und in Lagern isoliert werden”, so Uche Akpulu von der Flüchtlingsorganisation „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“. „Asylsuchende dürfen hier nicht einmal selbst darüber entscheiden, was sie essen wollen – das ist Entmündigung”.

Die Diskussion um die zwangsweise Lagerunterbringung von Flüchtlingen beschäftigte im vergangenen Jahr mehrfach den Landtag, es gab Petitionen aus verschiedenen Landkreisen und Städten, die eine Abschaffung der Lagerpflicht zum Ziel hatten. Selbst innerhalb der CSU kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sozialministerin Christine Haderthauer und den Hardlinern um Innenminister Joachim Herrmann. Getan hat sich bislang noch nichts, trotz entsprechender Bekundungen der jetzt mitregierenden FDP im Landtagswahlkampf.

Für den heutigen Dienstag haben sich Vertreter der Regierung von Niederbayern zu einem Besuch in den Lagern Breitenberg und Hauzenberg angekündigt. Bereits gestern hat der Grünen-Abgeordnete Eike Hallitzky die Regierung aufgefordert, ihren Ermessensspielraum zu nutzen: „Verpflegungspauschale“ statt Essenspaketen zum Beispiel. „Das Asylbewerberrecht würde in Bayern eine solche Regelung zulassen“, so Hallitzky. Seit Jahren führe man im Landtag Debatten zur Behandlung von Flüchtlingen in Bayern. Die harte Haltung der Staatsregierung werde dabei zunehmend in Frage gestellt.

Die protestierenden Asylbewerber denken indessen nicht daran, ihren Hungerstreik zu beenden. „Sie sind nach einer Woche ein bisschen schwach und müde”, sagt ein Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, „aber nach wie vor entschlossen und kampfeslustig.”

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