Mittelbayerische Zeitung, 26.02.2010

Hungern nach Arbeit und Würde

Die Zahl der Asylbewerber in Bayern ist stark rückläufig. Unterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge haben sich dennoch nicht verbessert.

Namia Bakr Zirian ist sauer. „Viele Leute werfen die Essenspakete einfach weg. Wir kommen doch aus einem anderen Land, wir sind kein europäisches Essen gewohnt.“ Der Flüchtling aus dem Irak lebt in der Gemeinschaftsunterkunft Plattlinger Straße in Regensburg zusammen mit sechs weiteren Asylbewerbern auf 58 Quadratmetern. 40 Euro Taschengeld bekommt er im Monat. Arbeiten und reisen darf er nicht. Seine Zukunft ist ungewiss.

Ende Januar hatten auch Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte in Hauzenberg und Breitenberg im Landkreis Passau genug. Sie verweigerten die Annahme der Essenspakete, die ihnen anstelle von Bargeld zur Verfügung gestellt wurden. Elf Asylbewerber traten gleichzeitig in den Hungerstreik, tranken nur noch Wasser oder Tee.

Die Lebensbedingungen von Asylsuchenden geben immer wieder Anlass zu Kritik. Während der Bayerische Flüchtlingsrat oder die „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ die zentralen Forderungen der Asylbewerber jeweils nachdrücklich unterstützen, beißen sie beim Freistaat Bayern auf Granit. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) pflegt die harte bayerische Linie. Sein Credo: „Aufweichungen in der Asylpolitik wird es mit mir nicht geben.“

Bargeld statt Essenspakete

Die Protestaktion in Niederbayern richtete sich vor allem gegen das Asylbewerber-Leistungsgesetz, in dem genau festgeschrieben ist, welche Grund- und Zusatzleistungen einem Flüchtling zustehen. Hauptkritikpunkt: Statt Geld auszubezahlen, mit dem sich die Asylbewerber Essen kaufen könnten, werden „Sachleistungen“ in Form von Essenspaketen zur Verfügung gestellt. „In anderen Bundesländern werden monatlich 250 Euro in bar ausgezahlt, sodass man Essen seiner Wahl kaufen kann“, erklärten die Streikenden.

Auch die Arbeitsaufnahme für die Asylbewerber ist schwierig. Nach dem Asyl-Verfahrensgesetz darf ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes nicht begründet werden. Gleichzeitig sind die Bewohner der Unterkünfte verpflichtet, in den Aufnahmeeinrichtungen oder bei Kommunen mitzuarbeiten. Dafür wird ihnen eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde bezahlt. Schließlich ist auch der Aufenthalt beschränkt. Die Asylbewerber haben eine Residenzpflicht, dürfen sich also weder in Bayern noch im Bundesgebiet frei bewegen. Die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag hat kürzlich einen Vorstoß unternommen, die Residenzpflicht im Asylrecht zu lockern. Die Residenzpflicht, die es innerhalb der Europäischen Union nur in Deutschland gibt, besagt, dass es Asylsuchenden grundsätzlich nicht gestattet ist, ihren Landkreis zu verlassen.

„Es ist mit unserem Menschenbild nicht vereinbar, dass wir Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen, dermaßen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. Wir machen sie damit, ohne dass es hierfür einen vernünftigen Grund gibt, zu Menschen zweiter Klasse. Eine Lockerung dieser unsinnigen Regelung ist dringend erforderlich“, sagt Brigitte Meyer, Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag und Sozialpolitische Sprecherin der Liberalen im Maximilianeum.

Wovon Meyer spricht, kennt ein Iraner, der ebenfalls in der Plattlinger Straße in Regensburg lebt, nur zu gut. Er zeigt einen Strafbefehl über 260 Euro, weil er ohne Erlaubnis nach Frankfurt und Hamburg gefahren ist. „Wovon ich das bezahlen soll, weiß ich nicht“, sagt der Mann, der seinen Namen aus Angst vor der Ausländerbehörde nicht genannt haben möchte. Die CSU bleibt zögerlich: An der bisherigen Asylbewerber- und Flüchtlingspolitik „wollen und werden wir festhalten“, sagte Joachim Unterländer von der CSU-Fraktion im Landtag. Man sei aber bereit, zumindest an der Wohnsituation von Familien mit Kindern etwas zu ändern. Diese sollen künftig früher eine private Wohnung beziehen können, um von den heftig kritisierten Gemeinschaftsunterkünften wegzukommen. Umgesetzt ist noch nichts. In Regensburg leben neun Familien mit zusammen 28 Kindern in der Gemeinschaftsunterkunft, die insgesamt 150 Flüchtlingen als Behausung dient. „Wir müssen aber stets gewährleisten, dass die Rückkehrverpflichtung von abgelehnten Asylbewerbern auch effektiv durchgesetzt werden kann. Daher muss es bei den bundesrechtlichen Wohnsitzbeschränkungen bleiben“, heißt es bei der Christenunion.

Kampf für mehr Menschlichkeit


Der Hungerstreik in Hauzenberg und Breitenberg ist mittlerweile beendet, die Asylbewerber verweigern aber weiterhin die Entgegennahme der Essenspakete. Unterstützt werden sie in ihrem Protest vom Regensburger Flüchtlingsforum und der BürgerInnen-Initiative Asyl. „Die Protestwelle von Hauzenberg wird sich ausweiten“, sagen Marion Puhle und Gotthold Streitberger. 52 Unterschriften wurden von den Flüchtlingen schon gesammelt. „Wir kämpfen für mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Demokratie und mehr Menschlichkeit“, sagt Streitberger.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann allerdings bleibt hart. Er bezeichnete den Hungerstreik von Hauzenberg und Breitenberg als „Farce“. Die Forderungen seien völlig überzogen. „Die klare Mehrheit der Asylbewerber wird nach wie vor nicht anerkannt. Das heißt, sie müssen Deutschland wieder verlassen“, erklärte er. Abgelehnte Asylbewerber müssten aber für die Behörden jederzeit erreichbar sein. „Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften muss daher bleiben. Ich sehe auch nicht, weshalb eine Versorgung mit Sachleistungen wie etwa Essenspaketen nicht zumutbar sein soll“, erklärte Herrmann.

Die Regierung von Niederbayern zeigte sich zugänglicher. Regierungspräsident Heinz Grundwald sicherte zu, dass zusammen mit der Arbeitsagentur die Dauer der Genehmigungsverfahren von Arbeitserlaubnissen geprüft werde. Zudem setzt sich die Behörde bei den niederbayerischen Landratsämtern dafür ein, dass es künftig eine einheitliche Praxis bei den Gebühren für Reisegenehmigungen gibt.

Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen hat auch die Aufmerksamkeit für die Probleme der Betroffenen nachgelassen. Nach Angaben des Sozialministeriums ist die Zahl der in bayerischen Gemeinschaftsunterkünften lebenden Flüchtlinge im Jahr 2008 weiter gesunken. Aufgrund dieser Entwicklung konnte die Anzahl der bayerischen Gemeinschaftsunterkünfte von 144 auf 118 reduziert werden, so Ministerin Christine Haderthauer.

Unterkünfte werden geschlossen

Die Regierung der Oberpfalz schloss Ende 2009 die Asylbewerberunterkunft im Markt Beratzhausen (Lkr. Regensburg) mit 27 Bewohnern. Die Unterkünfte in der Stadt Parsberg (37 Bewohner) und im Markt Breitenbrunn (7 Bewohner) – beide Landkreis Neumarkt – sollen zum 31. März geschlossen werden. Weitere Gemeinschaftsunterkünfte bestehen in Amberg, Regensburg, Weiden, Cham, Teublitz und Tirschenreuth. Derzeit wohnen in der Oberpfalz nur noch rund 750 Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften. Laut Haderthauer soll dort künftig eine adäquate Wohnqualität gewährleistet sein. „Mir ist es dabei besonders wichtig, dass wir bei der Belegung der Gemeinschaftsunterkünfte und bei deren Standard auf die Bedürfnisse von Familien achten“, sagte sie.

Die Denkanstöße seiner Sozialkollegin Haderthauer konterte Innenminister Herrmann mit der Bemerkung, es gebe keinen Anlass, Asylbewerber „wie in einem guten bayerischen Gasthof“ unterzubringen. Das bekommen viele zu spüren. „Ich würde gerne arbeiten, ein bisschen Geld verdienen und Steuern zahlen“, sagt Namia Bakr Zirian. Aber man lässt ihn nicht. „Das macht uns psychisch krank, man muss doch auch mal raus hier“, sagt er.

Hardliner bei der CSU

Der Bayerische Landtag hat sich im vergangenen Jahr bei einer Anhörung eingehend mit der Lebenssituation von Flüchtlingen beschäftigt. Die von den Experten vorgestellten Ergebnisse hätten eigentlich selbst die verschlafensten Politiker aufrütteln müssen:

In vielen Unterkünften herrschen katastrophale Verhältnisse, neben drangvoller Enge leiden viele Flüchtlinge nach langer Unterbringung an psychischen Erkrankungen. Aus tatendurstigen Männern und Frauen würden systematisch “zerbrochene Menschen” gemacht.

SPD, FDP, Freie Wähler und Grüne haben reagiert und Gesetzentwürfe vorgelegt. Ziel: Vor allem Frauen und Familien sollen sich eigene Wohnungen suchen dürfen, die Residenzpflicht soll gelockert werden, auch über eine Änderung der Verpflegungspraxis wurde nachgedacht. Statt Standard-Essenspaketen solle Geld ausbezahlt werden, was sogar billiger sein könnte.

Doch der Aktivismus der ersten Tage ist schnell wieder erlahmt. Wie die anhaltend schwierige Lage der Flüchtlinge in Bayern ist, zeigen die Beispiele in Hauzenberger und in Regensburg. Schuld an dieser Misere sind vor allem die Hardliner in der CSU und den Innenminister Joachim Hermann, gegen die sich engagierte Ssozialpolitiker wie Christine Haderthauer einfach nicht durchsetzen können.

Die Experten-Anhörung ist an dem Sheriff im Innenministerium vorbeigegangen. Er denke gar nicht daran, die Flüchtlinge “wie in einem guten bayerischen Gasthof” unterzubringen, polemisiert er wie am Stammtisch. Das Asylpolitik auch etwas mit Menschenwürde und mit Anstand und Würde zu tun hat - das hat man in Teilen der CSU noch nicht begriffen.

Von Fritz Winter

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