Neues Deutschland, 04.05.2011
Hohle Phrasen
Kommentar von Christian Klemm
Rund 500 Menschen sollen in den vergangenen Wochen während der Aufstände in Syrien umgekommen sein. Das kann auch die Bundesregierung nicht kalt lassen. Tut es anscheinend auch nicht: Sie setzt die Abschiebungen von syrischen Flüchtlingen »bis zur Klärung der Verhältnisse« im Land – also vorläufig – aus. Was nach der Klärung durch das Auswärtige Amt kommt, weiß keiner. Wahrscheinlichstes Szenario: Die Bundesregierung wartet geduldig darauf, dass die Unruhen in Syrien abklingen. Wenn sie dann vorbei sind, heißt es für die in Deutschland asylsuchenden Syrer wieder: Zurück zu euren Peinigern, aber pronto! Zu diesem Zweck halten Merkel und Co. auch an dem seit 2009 existierenden Rücknahmeabkommen mit Damaskus fest.
Denn eins ist seit Langem bekannt: Das Land am Mittelmeer ist ein astreiner Folterstaat. Dokumentiert ist zum Beispiel, dass nach Syrien »rückgeführte« Flüchtlinge inhaftiert und misshandelt wurden. Allein die Tatsache, dass in Deutschland ein Asylantrag gestellt wird, kann von den Behörden als »Beschmutzung des Ansehens Syriens« verurteilt und bestraft werden, gibt der Bayerische Flüchtlingsrat Auskunft. Dass in so einen Staat grundsätzlich nicht abgeschoben werden darf, liegt auf der Hand. Wenn Schwarz-Gelb seine Worte von Menschenrechten ernst meinen würde, bliebe keine andere Wahl, als das Abschiebeabkommen aufzukündigen. Ansonsten bleiben sie nichts weiter als hohle Phrasen.
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