Donaukurier, 21.10.2010
"Hier liegt einiges im Argen"
Acht Jahre sind genug. Seit 2002 lebt Aso Juhar Rafi in der Neuburger Asylbewerberunterkunft. Der aus dem Irak stammende Kurde ist verzweifelt. Der 32-Jährige will raus aus seinem 14 Quadratmeter großen Zimmer, in einer eigenen Wohnung leben und arbeiten. Doch die deutschen Behörden stellen sich quer. Hier will Agnes Krumwiede, die Ingolstädter Bundestagsabgeordnete der Grünen, helfen. Gestern besichtigte sie die Heime in der Donauwörther Straße, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen.
"Von einigen Dingen bin ich entsetzt. Hier liegt einiges im Argen", sagte Krumwiede nach dem Rundgang. Mit dabei waren Ulrich Böger, Vizepräsident der Regierung von Oberbayern, die Landtagsabgeordnete der Grünen Renate Ackermann und Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat. Die Diskussion zwischen den Politikern und dem Regierungsvertreter entzündete sich an mehreren Themen.
Zweimal pro Woche müssen die Asylbewerber Nahrungsmittel und ihre Getränke schriftlich bestellen. "Vier Liter Mineralwasser bekomme ich pro Woche, mehr nicht", beklagte sich Juhar Rafi. Ulrich Böger warf ein, dass auch das Leitungswasser "absolut trinkbar" sei. Jedoch sei das Essen immer exakt das gleiche, bemängelt Alexander Thal. Agnes Krumwiede forderte die Abschaffung der Essenbestellung. Die Bewohner sollten Geld erhalten, mit dem sie ihre Lebensmittel kaufen könnten. "Die Bürokratie mit den Zetteln muss aufgelöst werden. Das ist auch kostengünstiger", bezog sich Krumwiede auf ein Gutachten des bayerischen Flüchtlingsrates.
Der Bundestagsabgeordneten missfielen noch weitere Dinge bei ihrem Besuch in Neuburg. 195 Euro müssten die Bewohner für ihr Zimmer im Heim zahlen, wenn sie arbeiten und Geld verdienen. Das stößt bei Krumwiede auf Unverständnis. "Aber sie verdienen de facto", hielt der Regierungsvizepräsident dagegen.
Der Rundgang sei eine schwierige Veranstaltung, meinte Böger. Er sei lediglich für die Umsetzung der geltenden Vorschriften zuständig. Die Gesetze würde er nicht machen. Bis Ende 2011 werde die Regierung rund 750 000 Euro in die Neuburger Asylbewerberunterkunft investieren, so Böger. In jedem Haus sollen zwei abgeschlossene Wohneinheiten und zusätzliche Duschen entstehen. "Nach dem Ausbau müssen sich zwölf Menschen eine Dusche teilen", sagte Heimleiter Johann Wagner.
Am meisten störte die Grünenpolitiker, dass die Asylbewerber in den Heimen wohnen müssen. "Spätestens nach einem Jahr sollen sie ein private Unterkunft beziehen können", so Renate Ackermann. Das sei billiger wie das jetzige Bürokratiemonster, menschlicher und fördere auch die Integration.
Von Bernd Limmer
Quelle: Donaukurier (Ingolstadt)