Nürnberger Zeitung, 30.11.2011

Heftige Kritik an Erlanger Ausländeramt

 

"Offen aus Tradition" lautet der Wahlspruch der Stadt Erlangen. Doch nicht jeder sieht diesen Satz in der Praxis bestätigt. Vertreter verschiedener Flüchtlingsinitiativen übten gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Kritik an Entscheidungen der Erlanger Ausländerbehörde.

Fast zwei Jahre ist es her, dass Florim Berisha mit seiner Familie aus dem Kosovo nach Deutschland kam. Weil die Roma über die Slowakei eingereist waren, sollten sie dort den Asylantrag stellen. In einer Frist von 18 Monaten war die Rücküberstellung in das EU-Land möglich, die Ausländerbehörde Erlangen sollte diese umsetzen. Als die Polizei und ein Sachbearbeiter der Erlanger Ausländerbehörde die Familie zur Abschiebung abholen wollte, war Florim Berisha damals nicht vor Ort. So wurden seine Frau und die drei Kinder allein abgeschoben.

Die Entscheidung des Sachbearbeiters, die Abschiebung nicht abzubrechen, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Er muss Ehe und Familie schützen.“ Grundlage ist das Grundgesetz, das Ehe und Familie unter den Schutz des Staates stellt. Der Fall von Florim Berisha ist nur eine von drei Flüchtlings-Geschichten, bei der gestern Kritik an den Entscheidungen des Sachbearbeiters laut wurde.

Thal bemängelt, dass der Sachbearbeiter „den Ermessensspielraum zu Lasten der Flüchtlinge auslegt“. „Die Vorgänge in der Ausländerbehörde unserer Stadt sind uns schon länger bekannt“, sagt José Luis Ortega Lleras, Vorsitzender des Ausländer- und Integrationsbeirats. „Unsere bisherigen Interventionen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich daran etwas geändert hat.“ Thal ist sich bewusst: „Ausländerrecht ist hartes Recht.“ Doch seiner Meinung nach würde es „immer Spielräume geben“.

Erlangens Bürgermeisterin Elisabeth Preuß (FDP) und die Rechtsreferentin der Stadt, Marlene Wüstner, erklärten gestern in einer Pressemitteilung, dass die Stadt Erlangen bereit sei, auf die Forderungen einzugehen, die Maßnahmen gegen die drei Asylbewerber zu überprüfen, „und sich in diesem Sinne an die Regierung von Mittelfranken zu wenden“. Auch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) – in zwei der drei Fälle sieht sich die Stadt lediglich als „ausführendes Organ“ des Bamf – werde man sich in Verbindung setzen.

Man nehme die Vorwürfe sehr ernst, sagt Wüstner auf NZ-Anfrage. Eine erste juristische Schnellprüfung habe allerdings keinen Anlass zum Zweifel an der Korrektheit der verschiedenen Entscheidungen ergeben, heißt es in der Mitteilung wörtlich. Zudem sollen die Fälle intern noch einmal betrachtet werden, „weil der Schutz der Familie, aber auch ein menschlich fairer Umgang mit Menschen in schwierigen persönlichen Situationen, der Stadtverwaltung ein großes Anliegen sei“.

Christiane Fritz

Quelle: Nürnberger Zeitung

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