taz, 28.10.2003

Hannover droht Flüchtlingshelfern

Der niedersächsische CDU-Innenminister will härtere Strafen für Protestierer, die Abschiebungen zu verhindern suchen. Traumatisierte Flüchtlinge sollen ins Herkunftsland abgeschoben und dort behandelt werden. "Zynisch", sagt der Flüchtlingsrat

taz: Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat eine harte Gangart gegenüber ausländischen Flüchtlingen und deutschen Hilfsorganisationen angekündigt. Er will nicht nur aus Abschiebungen wieder Aktionen im Morgengrauen machen und die in Niedersachsen bislang üblichen Vorankündigungen abschaffen. Er machte sich gestern in Hannover auch für eine Verschärfung des Ausländergesetzes stark, die sich gegen Proteste auf Flughäfen oder in Flugzeugen und damit gegen Hilforganisationen richtet.

Gemeinsam mit Bayern wolle er einen neuen Straftatbestand im Ausländergesetz verankern, mit dem "demonstrativen Aktionen Dritter gegen Flugabschiebungen begegnet werden" solle, sagte Schünemann. Bis zu einem Jahr Haft oder eine Geldstrafe solle demjenigen drohen, der durch Widerstandshandlungen "im Vorfeld der Rückführung oder im Flugzeug" eine Abschiebung scheitern lasse. In Flugzeuge würden immer häufiger mitreisende Passagiere gegen Abschiebungen protestieren, sich etwa weigern, ihren Platz einzunehmen. Zunehmend seien Abschiebungen nicht mehr mit Linienflügen, sondern nur mit teuren, eigens gecharterten Maschinen möglich.

Empört zeigte sich der niedersächsische Flüchtlingsrat über Schünemanns "haarsträubende Pläne". Viele Flüchtlinge, die sich im Flugzeug widersetzten, hätten zu Recht Angst vor einer Abschiebung in ihren Verfolgerstaat, sagte der Sprecher des Flüchtlingsrats, Kai Weber. Einzelne Solidaritätsaktionen, bei denen den Fluglinien oder den Piloten schon vor Abschiebungen Protest angekündigt wurde, hätten "durchaus zu begrenzten Erfolgen" geführt. Von Niedersachsen würden allerdings nur wenige Flüchtlinge ausgeflogen. Schünemann betreibe auch "symbolische Politik" gegen die Flüchtlinge.

Der CDU-Politiker will noch im November einen Erlass ersatzlos streichen, der Vorankündigungen bei Abschiebungen vorsah. Nur bei Hinweisen auf ein drohendes Abtauchen des Flüchtlings können die niedersächsischen Ausländerämter bislang ohne Vorankündigung abschieben. "Der Innenminister will zu jener Praxis zurückkehren, bei der ganze Familien ohne Vorankündigung festgenommen und die Kinder von der Polizei aus der Schule geholt werden", kritisierte Weber.

Ein weiterer Vorschlag des niedersächsischen Innenministers richtet sich in den Augen des Flüchtlingsrats direkt gegen die Opfer von Folter und Bürgerkrieg. Schünemann beklagte gestern auch, dass zahlreiche Flüchtlinge nicht abgeschoben werden könnten, weil ihnen kurz vor dem Abschiebetermin vom Arzt eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert werde. Niedersachsen wolle künftig die Behandlung dieser Störungen im Heimatland finanzieren und trotz Attest abschieben. Der Flüchtlingsrat bezeichnet das als zynisch. Die attestierten Störungen seien in der Regel Folge von Folter oder traumatischen Kriegserfahrungen und im Herkunftsland nicht behandelbar.

JÜRGEN VOGES

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