Nürnberger Nachrichten, 20.12.2010

Haderthauer betreibt eine „gewaltige Heuchelei“

Scharfe Kritik an der Ministerin und der CSU im Lorenzer Kommentar-Gottesdienst wegen ihrer Flüchtlingspolitik


Heuchelei und einen Verstoß gegen die von ihr selbst propagierte christlich-jüdische Leitkultur haben Teilnehmer des Lorenzer Kommentar-Gottesdienstes Sozialministerin Christine Haderthauer und der CSU insgesamt in der Asylpolitik vorgeworfen.

"Weihnachtliche Flüchtlingspolitik in Bayern“ war diesmal das Thema der Reihe. Der Titel bezieht sich auf ein Zitat Haderthauers, welche die Diskussion kürzlich mit den Worten angeheizt hatte: „Niemand wird gezwungen, nach Deutschland zu kommen. Wer mit den Leistungen hier nicht zufrieden ist, kann jederzeit wieder in seine Heimat zurück.“

Die evangelische Dekanin Ursula Seitz erinnerte in ihrem theologischen Kommentar daran, dass im Judentum die Fremdheit in einem Land zur oft leidvollen „Ur-Erfahrung“ gehörte. Aus dem Alten Testament leitete sie die Erkenntnis ab, dass der Fremde dort, wo er lebt, „zu seinem Recht kommen muss“. Es müsse gleiche Lebensbedingungen für alle geben. Auch Jesus habe Flüchtlingen und Fremden stets besonderen Schutz angedeihen lassen.

Damit ist, so Ursula Seitz, die christlich-jüdische Kultur ausreichend beschrieben. Sie bezeichnete es als „gewaltige Heuchelei und Missbrauch“, dass sich Politiker einerseits ständig auf diese Tradition berufen, sie aber in ihrer praktischen Politik brechen. Man habe sich bei der CSU bemüht, einen Mandatsträger zu schicken, „der uns diesen Widerspruch erklären kann“. Es habe sich dort aber niemand dazu bereitgefunden.

Erwin Bartsch von der Asylgruppe Zirndorf, wo es die Zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber gibt, kritisierte die schlechten Lebensbedingungen von Asylbewerbern. In Euro und Cent umgerechnet, bekommen sie laut Bartsch 40 Prozent weniger als Hartz-IV-Empfänger: „Für Flüchtlinge gibt es anscheinend eine Existenz unter dem allgemein festgelegten Existenzminimum.“

Auch mit der Statistik werde viel Schindluder getrieben. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind, so der Kommentator in Sankt Lorenz, von 28816 Asylanträgen nur 1,6 Prozent positiv nach dem Grundgesetz entschieden worden. „Hier darf man aber nicht aufhören, die Statistik zu lesen.“

Bei Flüchtlingen, die auf dem Landweg nach Deutschland einreisen, und das ist die Mehrzahl, kommt eine Anerkennung nach dem Grundgesetz gar nicht mehr in Frage. Viele sind aber nach der Genfer Flüchtlingskonvention geschützt, für einen anderen Teil besteht ein Abschiebungsverbot. Außerdem bekamen alle 108 Flüchtlinge ein Aufenthaltsrecht, mit denen sich 2009 die Härtefall-Kommission beschäftigte. „Das Innenministerium schützt ausreisepflichtige Flüchtlinge vor dem Missbrauch durch das Sozialministerium“, betonte Bartsch, „wer hätte das geahnt.“

Quelle: Nürnberger Nachrichten

Zurück