Deggendorfer Zeitung, 23.10.2010

Gut in Schuss, aber abgelegen

Der Bayerische Flüchtlingsrat hat das Asylbewerber-Haus in Schöllnstein unangemeldet besucht

In diesem früheren Appartementhaus leben zurzeit rund 45 Flüchtlinge. Im Vergleich zu anderen Unterkünften ist das Haus laut Flüchtlingsrat in gutem Zustand, aber zu weit abgelegen. Foto: Binder

Im Vergleich zu manchen Asylbewerber-Unterkünften in anderen Regierungsbezirken ist das Haus in Schöllnstein gut in Schuss. Davon hat sich Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat ein Bild gemacht, als er die Unterkunft unangemeldet besuchte.

Eine dreiköpfige Familie aus Algerien und gut 40 Männer aus Somalia leben zurzeit in dem früheren Appartementhaus. Je fünf von ihnen teilen sich ein Zimmer, fünf bis acht benutzen gemeinsam eine Toilette, ein Bad und eine Küche. Auch wenn es problematisch ist, mit zuvor fremden Menschen auf so engem Raum zu leben: „Das Problem haben alle Asylbewerber-Unterkünfte“, weiß Alexander Thal. Jedem Flüchtling stehen sieben Quadratmeter Wohnraum zu, und das sei in Schöllnstein gewährleistet. Wichtig sei, dass nicht noch mehr Flüchtlinge dorthin kommen: „Mehr geht nicht“, so Thal. Die ursprünglich angedachten bis zu 100 Asylbewerber in Schöllnstein – das wäre zu viel. Regierungspräsident Heinz Grunwald hatte den verunsicherten Dorfbewohnern jedoch schon bei seinem Besuch im August versichert, dass man nicht so viele Flüchtlinge nach Schöllnstein bringen würde wie zunächst geplant.

Dass das Haus erst seit wenigen Monaten in Betrieb ist, sehe man an seinem guten Zustand, erklärt Alexander Thal der DZ. Lediglich wenige nicht funktionierende Heizkörper und die eine oder andere kaputte Toilettenspülung seien zu beklagen. Mehr Sorge bereitet es dem Flüchtlingsrat, dass das Haus so abgelegen ist. Nur selten fährt ein Bus, oft gehen die Bewohner zu Fuß bis Iggensbach. Mit ihren Familien haben sie keinen Kontakt, denn an die richtigen Telefonkarten zu kommen und diese zu aktivieren, ist sehr aufwendig. Handys haben die meisten Flüchtlinge nicht. Alexander Thal: „Ich habe mit einem Mann aus Mogadischu gesprochen. Er macht sich starke Sorgen um seine Familie, kann sie aber nicht anrufen.“ Auch Behördengänge oder der Kontakt zu Rechtsanwälten sind von Schöllnstein aus schwierig. In den Großstädten helfen sich Somalier ebenso wie Flüchtlinge aus anderen Ländern gegenseitig in gut organisierten Communitys. Aber auch zu diesen haben die Männer in Schöllnstein keinen Kontakt.

Alexander Thal hat das Passauer Bündnis für die Rechte der Flüchtlinge informiert, das die Asylbewerber besuchen und sich um sie kümmern will. Zudem hat er die Nummer eines Rechtsanwalts in Regensburg hinterlassen, der den Flüchtlingen weiterhelfen kann. Auch zur Gemeinde Iggensbach hat er Kontakt aufgenommen: Alexander Thal möchte gerne die Dorfbewohner, Gemeindevertreter und die Asylbewerber gemeinsam zu einer Versammlung einladen. Dazu kann er Übersetzer organisieren, so dass man sich auch verständigen kann. Zudem, weiß Thal, sprechen die meisten der Somalier Englisch.

Selbst würde er bei der Versammlung über die Grundlagen des Asyl-Verfahrens referieren und vermitteln, an welche Behörden sich die Flüchtlinge wann wenden müssen. Vor allem soll die Veranstaltung, die für Donnerstag, 18. November, angedacht ist, dazu dienen, dass sich die Schöllnsteiner und ihre Gäste kennenlernen und miteinander in Kontakt kommen.

Wenn der Leiter des Gemeinde-Bauhofs, bei dem ein paar der Männer arbeiten, einen der Flüchtlinge zu Fuß gehen sieht, nimmt er ihn im Auto mit. Solch unbürokratische und spontane Hilfe kann schon eine Menge bringen, weiß Alexander Thal. „Vielleicht können die Asylbewerber zum Beispiel Fahrgemeinschaften machen mit Dorfbewohnern, die nach Iggensbach oder in die Stadt fahren“, überlegt er.

Der Flüchtlingsrat, der zu „Pro Asyl“ gehört, ist eine von der Regierung unabhängige, mit Spenden finanzierte Organisation. „Wir wollen keinen Krawall machen, sondern uns für menschenwürdige Bedingungen einsetzen“, erklärt Alexander Thal. In einer bewusst provokant betitelten „Schmutzige-Donnerstags-Tour“ bereisen er und seine Kollegen zurzeit jeden Donnerstag die Unterkünfte und Behörden in den sieben Regierungsbezirken Bayerns. Infos unter www.fluechtlingsrat-bayern.de.

Karin Wittler

Quelle: Deggendorfer Zeitung

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