Süddeutsche Zeitung, 16.05.2008

Grüße aus Absurdistan

Ein fehlender KVR-Bescheid und die Folgen

Der Bescheid einer Behörde ist ein bedeutungsvolles Dokument und stets mit der notwendigen Hochachtung zu behandeln. Wehe dem, der dies nicht tut. Roman S., 35 Jahre alt und Soziologiestudent, mangelt es offenbar an der notwendigen Achtung. Deshalb sitzt er nun auf der Anklagebank im Amtsgericht, und als ihm ein verschmitztes Lächeln auskommt ob der ganzen Situation, muss er sich sogleich von der Richterin anfahren lassen, „was es denn da zu lachen gibt“.

Roman S. ist angeklagt wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Darüber wird gerade in Bayern heftig diskutiert, denn eine Gesetzesnovelle sieht eine Verschärfung desselben vor. Die soll sich vor allem gegen Neonazi-Umtriebe richten, Kritiker befürchten indes, dass hier unter dem Deckmäntelchen des Kampfes gegen Rechtsextremismus die Meinungs- und Versammlungsfreiheit weiter eingeschränkt werden soll.

Roman S. jedenfalls ist kein Neonazi, er engagiert sich für politisch Verfolgte. So auch am 9. August vorigen Jahres, als er in der Tischlerstraße in Fürstenried gegen die von den Behörden angeordnete Anhörung von nigerianischen Flüchtlingen protestierte. „Keine Abschiebung nach Nigeria“, hieß es auf einem Transparent der etwa zehnköpfigen Demonstrantenschar. Die Demo war ordnungsgemäß beim KVR angemeldet und mit Auflagen genehmigt worden. Eine Auflage verpflichtete Roman S., den KVR-Bescheid mit sich zu führen. Weil er dies offenbar nicht tat, wurde sogleich ein Verfahren gegen ihn eingeleitet, er bekam einen Strafbefehl über 110 Tagessätze zu je 15 Euro zugesandt.

Roman S. legte Einspruch ein, und so sitzen im Amtsgericht nun eine Richterin, eine Staatsanwältin, ein Verteidiger und eine Protokollführerin, um über seine „Straftat“ zu verhandeln. Verteidiger Hartmut Wächtler, der selbst einen Kommentar zum Versammlungsgesetz verfasst hat, kann über das Verfahren nur den Kopf schütteln. Zunächst einmal hält er die damals vom KVR erteilten Auflagen für „reine Schikanen“. Zum Beweis seiner These legt er ein Urteil des Verwaltungsgerichts vor, das erst Ende 2007 in seltener Eindeutigkeit solche Auflagen ad absurdum geführt hat. Es sei, so die VG-Richter, nicht ersichtlich, „inwieweit das Nichtmitführen des Bescheids“ zu einer „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ führen könne.

Doch die Strafjustiz meint es ernst – Absurdistan lässt grüßen. Die Beteiligten ziehen sich zu einem „Rechtsgespräch“ hinter verschlossene Türen zurück, eine Einigung gibt es aber nicht. Anwalt Wächtler beharrt auf einem Freispruch, und so gibt es einen zweiten Termin im Juni. Dann soll auch ein Zeuge kommen, der das Verfahren vollends zur Posse machen könnte: Denn er soll besagten Bescheid damals bei sich getragen und der Polizei auch vorgelegt haben.

Alexander Krug

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