Süddeutsche Zeitung, 26.03.2010
Grüne werfen der FDP Verschleppung vor
Die liberale Vorsitzende des Sozialausschusses lässt Anträge zur Asylpolitik angeblich allzu lange liegen
Die Asylpolitik bleibt ein Streitpunkt unter den Parteien in Bayern. Während sich CSU und FDP auf kleine Verbesserungen für Asylbewerber geeinigt haben, beklagt die Opposition nach wie vor die schlechten Bedingungen, unter denen Flüchtlinge im Freistaat leben müssen. Die Grünen griffen außerdem die Vorsitzende des Sozialausschusses, Brigitte Meyer von der FDP, an und warfen ihr vor, Anträge der Grünen besonders lange liegen zu lassen und so zu verschleppen.
Der Ausschuss beschloss am Donnerstag einstimmig, die Residenzpflicht für Asylbewerber zu lockern. Das bedeutet, dass sich Flüchtlinge nicht wie bisher nur in dem Landkreis, in dem sie untergebracht sind, sondern im gesamten Regierungsbezirk und in den angrenzenden Landkreisen bewegen dürfen. Das ist der Minimalkonsens von CSU und FDP. Mehr konnten die Liberalen nicht durchsetzen, obwohl sich die Ausschussvorsitzende Meyer mehrfach für eine Liberalisierung der Asylpolitik ausgesprochen hat. Weil es keine Einigung gibt, schleppt sich die Diskussion dahin. Meyer will zum Beispiel Familien, traumatisierte Flüchtlinge und alleinreisende Minderjährige grundsätzlich in Wohnungen und nicht in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen. Das ist einer der Hauptstreitpunkte auch innerhalb der CSU: Während vor allem die Innenpolitiker um Minister Joachim Herrman darauf beharren, den Flüchtlingen nicht allzu viel Komfort angedeihen zu lassen, um so die „Rückkehrbereitschaft in die Heimatländer“ zu fördern, fordern die Sozialpolitiker, die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zumindest zu überdenken. Durchsetzen konnten sie sich bisher nicht.
Die Opposition weidet sich an den Abstimmungsproblemen der Koalition. „Unsere Geduld ist erschöpft“, sagte die Grünen-Sozialexpertin Renate Ackermann. Sie ist überzeugt davon, dass Meyer, die neu ist im Parlament, die Grünen-Anträge so lange nicht auf die Tagesordnung setzt, bis sich CSU und FDP über strittige Themen geeinigt haben. So gebe es beispielsweise einen Gesetzentwurf, der ein Jahr lang auf die Behandlung im Ausschuss warte. Per Minderheitenvotum erzwangen Grüne, SPD und Freie Wähler am Donnerstag deswegen, dass alle ausstehenden Anträge in der nächsten Sitzung behandelt werden. Ausschussvize Joachim Unterländer (CSU) wies den Vorwurf der Verschleppung zurück, ebenso die Angriffe auf Meyer.
„Ihr Stil ist unerträglich“, sagte Bernard Seidenath (CSU) zu Ackermann. Die Grünen übten immer nur Kritik, anstatt sich über Fortschritte zu freuen. Er betonte, dass im Nachtragshaushalt 160 000 Euro zusätzlich eingestellt worden seien, um einen Gutachter im Aufnahmelager Zirndorf zu beschäftigen. In München laufe das Vergabeverfahren für eine zweite Stelle, sagte eine Vertreterin des Sozialministeriums. So sollen traumatisierte Flüchtlinge schneller erkannt und behandelt werden. Zu wenig, klagt die Opposition. Und auch in der Koalition ist der Streit längst nicht zu Ende.
Katja Auer