Mainpost, 07.05.2009

Grüne fordern neue bayerische Asylpolitik

Ein Asylbewerber auf dem Weg in die Würzburger Gemeinschaftsunterkunft.  FOTO T. MÜLLER
Menschlicher und billiger: In Nordrhein-Westfalen leben die meisten Flüchtlinge in Privatwohnungen
Politiker aller Parteien im bayerischen Landtag sind unzufrieden mit der zwangsweisen Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften (GU). Die Stadt Leverkusen hat ein Modell entwickelt, das auch in Bayern Schule machen könnte.

Seit 2002 zwingt der Freistaat Bayern Asylbewerber, „Geduldete“ mit einem unsicheren Aufenthaltstitel, und alle sonstigen Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zum Leben in Gemeinschaftsunterkünften. Der Würzburger Rechtsanwalt Michael Koch musste gegen die Regierung von Unterfranken bis zum Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) gehen, um in Einzelfällen Erleichterungen zu erreichen.

Er erwirkte ein Urteil des VGH, nach dem die Regierung keine Familienmitglieder mehr zwingen darf, in der GU zu wohnen, wenn ein Familienteil einen sicheren Aufenthaltsstatus besitzt und privat wohnt.

Es gibt humanere Wege, Flüchtlinge unterzubringen. Der Würzburger „Freundeskreis für ausländische Flüchtlinge“ und die bayerischen Grünen fordern das „Leverkusener Modell“ für den Freistaat. Leverkusens Sozialdezernent Frank Stein berichtet, ausschlaggebend fürs Modell seien „unvertretbare Wohnverhältnisse“ in den Sammelunterkünften gewesen. In Nordrhein-Westfalen ist die Beherbergung von Flüchtlingen Sache der Kommunen. Gemeinsam mit Caritas, Ausländerbeirat und Flüchtlingsrat entwickelte die Leverkusener Stadtverwaltung ein eigenes Konzept zur Unterbringung in Privatwohnungen.

Demnach gibt es keine Mindest- oder Höchstaufenthaltszeit in einer GU. Die Flüchtlinge suchen sich ihre Wohnung selbst. Die Caritas überprüft die „Wohnfähigkeit“ des Suchenden, die Ausländerbehörde muss dem Auszug zustimmen. Gewollt ist, zumindest die zeitweise Integration der Flüchtlinge zu fördern. Ihre Eigenverantwortung und, so heißt es im Konzept, „Selbsthilfepotenziale“ sollen gestärkt werden. Schon die eigenständige Wohnungssuche, bilanziert der Leverkusener Flüchtlingsrat, sei Anreiz zum Erlernen der deutschen Sprache. Die Leute seien motiviert, sich Arbeit zu suchen. Viele Flüchtlinge könnten jetzt wenigstens teilweise selbst für sich sorgen.

Die Umsetzung habe, sagt Sozialdezernent Stein, „für alle Flüchtlinge in Leverkusen eine gravierende Verbesserung der Lebensumstände zur Folge gehabt“. Besonders für die Kinder und Jugendlichen sei das Aufwachsen in normalen Wohnverhältnissen „eine ganz andere Basis für Integration und Sozialisation“. Bei einer Anhörung im Bayerischen Landtag berichtete Stein außerdem, „dass die Unterbringung zumindest eines erheblichen Teils der Flüchtlinge in Privatwohnungen nach wie vor die wirtschaftlichste Vorgehensweise ist“. Gründe: Die Kosten für die Bewirtschaftung der Unterkünfte entfielen ebenso wie die Personalkosten, und die Stadt könne die Räume vermarkten. Rund 75 000 Euro habe Leverkusen allein 2002, im ersten Jahr der Einführung, eingespart. Der Flüchtlingsrat preist das Leverkusener Konzept als „nachhaltig, human und kostenreduzierend“.

Die bayerische Staatsregierung allerdings wünscht keine Selbstständigkeit in ihren Gemeinschaftsunterkünften. Die Flüchtlinge erhalten Essens- und Hygienepakete, in den meisten Unterkünften bekommen sie selbst ihre Kleidung zugeteilt. Im ersten Jahr ihres Aufenthalts erhalten sie keine Arbeitserlaubnis. Bei einem monatlichen Taschengeld von 40 Euro für Erwachsene und 20 Euro für Kinder sind Sport im Verein oder der Besuch kultureller Veranstaltungen nicht drin.

Freistaat gegen Integration

Die Integration von geduldeten Flüchtlingen und Asylbewerbern ist in Bayern ausdrücklich nicht erwünscht. Im Paragrafen 7 der Asyldurchführungsverordnung schreibt der Freistaat fest: „Die Verteilung und die Zuweisung (in die GU, d. Red.) darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren; sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.“

Diese Praxis, zürnen die Grünen, gehe auch zu Lasten der Gesellschaft. Die Flüchtlinge würden „zu Versorgungsempfängern degradiert, der Arbeit ent- und an Müßiggang gewöhnt“. Extrem kostenintensiv und bürokratisch sei das bayerische System, es entmündige Menschen langfristig und beraube sie „jeglicher Zukunftsperspektive“.

Im Mittelpunkt der bayerischen Asylpolitik, so fordert die Partei, müsse künftig der Mensch stehen.

Wolfgang Jung

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