Landshuter Wochenblatt, 26.10.2011

Gnadenlose Bürokratie reißt Familie auseinander

Ein Flüchtlingsdrama in Europa

Familie Ghafari

 

Sie wollten ein besseres Leben. Ein Leben ohne Gewalt, ohne Hunger und Angst. Doch die Flucht aus Afghanistan in eine vermeintlich bessere Zukunft endete in einem Albtraum für die Ghafaris.
 
Die Familie wurde zum Spielball von gewissenlosen Schleusern und der gnadenlosen Bürokratie, auseinandergerissen und in ganz Europa verteilt. Der Vater sitzt in den Niederlanden fest, ein 14-jähriger Sohn in Österreich, ein 18-jähriger in Landshut. Die schwer an Diabetes erkrankte Mutter befindet sich mit der 7-jährigen Tochter derzeit noch in Rosenheim. Doch sie soll am Mittwoch, 2. November, nach Griechenland abgeschoben werden, wo ihr Obdachlosigkeit und – laut Agnes Andrae vom Bayerischen Flüchtlingsrat – „unbeschreiblich miserable Zustände“ drohen.
Rosama Ghafari war mit ihrem Mann und ihren drei Kindern 2010 mit Hilfe von Schleppern zunächst nach Griechenland geflohen. Aufgrund der dramatisch schlechten Bedingungen vor Ort konnte die Familie dort nicht bleiben. Zumal Rosama Ghafari wegen ihrer Zuckerkrankheit dringend ärztliche Hilfe braucht. „Doch die Weiterflucht aus Griechenland ist kompliziert und teuer“, so Andrae. „Die Familie wurde getrennt, um es zu schaffen.“
 
Der 18-jährige Sohn Ali Reza floh auf eigene Faust nach Deutschland und lebt jetzt als Asylbewerber in Landshut. Hier schaltete er über das Haus international den Bayerischen Flüchtlingsrat ein, um seiner Familie zu helfen. Denn die wurde mittlerweile in alle Himmelsrichtungen versprengt.
„Nach einem Jahr Aufenthalt in Griechenland floh Rosama Ghafari mit ihren beiden minderjährigen Kindern weiter nach Ungarn, wo sie im August dieses Jahres ankamen“, so Andrae.
In Ungarn kamen Rosama Ghafari und die Kinder in ein Abschiebezentrum. Aus Angst davor machte sie sich wieder auf den Weg nach Deutschland. „Die Schleuser trennten dann den 14-jährigen Sohn Morteza von seiner Mutter und seiner Schwester. Er befindet sich jetzt allein in Österreich“, so Andrae.
Mutter und Tochter gelang schließlich die Flucht nach Deutschland. Ihr Ziel war eigentlich, zu ihrem Sohn nach Landshut zu kommen. Dort kam sie allerdings nie an. Als sie am 8. Oktober über die deutsch-österreichische Grenze einreiste und bei der Polizei in Irschenberg asylrechtlichen Schutz beantragte, wurde sie in Ersatzabschiebehaft genommen. Sie sitzt momentan in einer Pension in Rosenheim fest. Die Mutter und ihre 7-jährige Tochter sollen am 2. November jetzt nach Ungarn und dann nach Griechenland abgeschoben werden – in eine ungewisse Zukunft.
„Der Frau geht es richtig schlecht. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der mit den Nerven so runter ist“, so Andrae nach einem Besuch bei der Mutter am Montag. „Die Frau hat die ganze Zeit geweint, ihre kleine Tochter ist jetzt noch dazu krank geworden und hat Fieber.“ Doch so wie es aussieht, bleiben die Behörden hart. Die Odyssee der Ghafaris – sie geht wohl noch weiter. Ein Happy End ist eher unwahrscheinlich.

Von Alexander Schmid

 

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