Süddeutsche Zeitung, 18.01.2012

Geschlichtet

Jugendliche Flüchtlinge in der Bayernkaserne erhalten mehr Betreuer und Deutschkurse

 

Nach dem Ende des Hungerstreiks junger, elternloser Flüchtlinge in der Bayernkaserne haben Behördenvertreter einigen ihrer Forderungen zugestimmt. Die Jugendlichen hatten gegen ihre Unterbringung in der Asylunterkunft protestiert und unter anderem mehr Bildungsangebote gefordert. Das bayerische Kultusministerium teilte den Flüchtlingen jetzt mit, wie geplant von Februar an eine neue Stelle für zusätzlichen Deutschunterricht zu besetzen. Auch die Folgekurse sollen 'nach Bedarf aufgestockt werden', um die 16- bis 18-Jährigen auf die Berufsschule vorzubereiten, steht im beidseitig unterschriebenen Schlichtungsformular vom Montag. Günther Bauer von der Inneren Mission versprach zudem, 10000 Euro in eine 'Deutsch-Lehrkraft ab sofort' zu investieren. Der kirchliche Träger stellt das Betreuungspersonal in der Bayernkaserne.

Das Münchner Jugendamt sicherte den Flüchtlingen zu, die Zahl der Vormünder zu erhöhen. So könne jeder von ihnen in seinem Asylverfahren unterstützt werden. Die städtischen Vertreter betreuen häufig viele Flüchtlinge zugleich. Diese hatten kritisiert, dass sie keine ausreichende rechtliche Beratung erhielten.

Eine Kernforderung der rund 50 jugendlichen Hungerstreikenden war aber, direkt in der Erstaufnahmeeinrichtung von mehr Betreuern umsorgt zu werden. Die rund 140 minderjährigen Flüchtlinge in der Bayernkaserne werden derzeit nur von zehn Mitarbeitern der Inneren Mission unterstützt. Ulrich Böger, Vizepräsident der Regierung von Oberbayern, reagierte darauf mit dem Hinweis auf drei neue Stellen, die bereits geplant seien. Seine Behörde trägt die Verantwortung für die Unterbringung der Asylbewerber in der ehemaligen Bundeswehrkaserne. Ihr Ziel sei es, einen Großteil der Flüchtlinge bald in Jugendhilfeeinrichtungen in München und in mittelgroßen bayerischen Städten abzugeben.

Die Jungen, die im Schnitt sieben bis neun Monate in der Bayernkaserne leben, litten derzeit unter einer 'Massenunterbringung ohne Rückzugsort', sagt Thomas Berthold vom Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (B-UMF). Böger sprach hingegen von ehemaligen Kasernenstuben, die eigentlich für sechs Soldaten statt für vier Flüchtlinge ausgelegt seien. Ihre Unterbringung in den Stockbetten sei deshalb 'menschenwürdig'. Auch defekte Kochplatten und Waschmaschinen wolle er bald reparieren lassen.

Günther Bauer von der Inneren Mission sucht währenddessen nach einem neuen Betreuer 'mit Psychiatrieerfahrung'. Die asylsuchenden Jugendlichen in der Bayernkaserne seien meist von ihrer Flucht traumatisiert. Bauer will nun auch Ehrenamtliche in die Kaserne holen. Die Innere Mission solle künftig zwischen Flüchtlingen und Behörden vermitteln. Thomas Berthold vom Bundesfachverband hält dagegen: Der Träger habe sich auf das Konzept der Kaserne eingelassen und sich dadurch als Anwalt 'disqualifiziert'.

Von Kristiana Ludwig

Link zum Beitrag:
http://www.sueddeutsche.de/u5p38H/421207/Geschlichtet.html

Zurück