Passauer Neue Presse, 06.11.2009
„Gern wohnt da keiner“
Patrick Chen (23) kritisiert Zustände im Asylantenheim - Regierung von Niederbayern plant Sanierung
Pfarrkirchen. Viel Platz zum Leben hat Patrick Chen nicht. Mit sechs anderen Flüchtlingen wohnt der 23-jährige Chinese in einem 25 Quadratmeter großen Zimmer des Asylantenheims in der Ringstraße. Insgesamt halten sich in dem Gebäude an der Gässl-Kreuzung derzeit 56 Personen auf; 70 können aufgenommen werden. Chens Zimmer im zweiten Stock ist vollgestellt mit Tischen und Stühlen und einer kleinen externen Heizung, da der fest installierte Heizkörper nicht funktioniert. Wo Platz ist, stehen Boxen mit Lebensmitteln und Wasserflaschen herum. Zwischen den doppelstöckigen Bettgestellen aus Metall sind notdürftig Bettlaken und Tücher gespannt, um ein wenig Privatsphäre zu schaffen.
Zwei Toiletten für 25 Männer
„Die Situation hier wird immer schlimmer“, beklagt sich Chen, der wegen regierungskritischer Aussagen in einem Internet-Forum aus seiner Heimat fliehen musste. In den Räumen seien zu viele Flüchtlinge untergebracht, die Sanitäranlagen seien verdreckt und stinkend. Für 25 Männer stehen zwei Toiletten zur Verfügung. Ein Neuankömmling im Heim habe für drei Nächte sogar auf dem Boden schlafen müssen. „Nebenan ist ein größeres Zimmer, in das ich umziehen wollte. Doch die fünf Irakis, die dort wohnen, haben mich nicht gelassen“, erzählt Chen.
Dass die Lage im Asylantenheim alles andere als ideal ist, ist nichts Neues. Im April dieses Jahres besuchte eine fünfköpfige Delegation des bayerischen Flüchtlingsrates die Unterkunft. In ihrem Bericht bemängeln sie den „maroden Zustand“, die teils nicht funktionierenden Sanitäranlagen und fehlende Rückzugsmöglichkeiten. Matthias Weinzierl, einer der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, kann sich noch gut an seinen Besuch erinnern: „Als wir da durchgelaufen sind, ist mir die Kinnlade runtergefallen, das war schon erschreckend. Der bauliche Zustand ist indiskutabel und spottet allem, was man sich vorstellen kann“, schildert er seine Eindrücke. Erstaunt habe ihn, dass bei ihrem Besuch vor einem halben Jahr niemand von der Regierung in Niederbayern, die für die Unterbringung zuständig ist, dabei gewesen ist. „Das war in anderen Heimen, die wir besucht haben, anders.“
Die Unterkunft in der Kreisstadt ordnet Weinzierl in die Kategorie „der schlechteren und skandalöseren“ ein. „Gern wohnt da keiner.“ Dass es auch anders geht, weiß er aus Erfahrung: „In Nördlingen (Bezirk Schwaben) hatten wir eine ähnlich schlechte Situation, bis es einen runden Tisch mit Bewohnern und Heimleitung gab. So konnten zum Beispiel kleine Dinge wie eigene Briefkästen für die Flüchtlinge durchgesetzt werden.“
Kritisch sieht die Lage auch Horst Priebe, zuständig für die Asylberatung bei der Caritas. Er schaut sich regelmäßig vor Ort um und fungiert als Vermittler zwischen Bewohnern und der Heimleitung. Dass das Gebäude in einem schlechten Zustand ist, steht laut Priebe außer Frage. Überraschenderweise erreichten ihn aber relativ wenig Beschwerden von den Bewohnern, was er auf die Lage des Heims zurückführt: „Es liegt zentral in der Innenstadt. Manchmal haben sie die schönsten Häuser, die aber völlig fernab sind. Da wollen fast alle Bewohner raus“, sagt er. Die Wohnsituation von Patrick Chen hält auch er für bedenklich: „Sieben oder acht Leute in einem Raum, das ist heftig.“ Was die Sauberkeit angehe, liege das Problem auch bei den Bewohnern selbst: „Es werden welche zum Putzdienst eingeteilt. Manche nehmen das sehr genau, andere nicht so.“ Die Nahrungsversorgung mit Essenspaketen - die laut Bericht des Flüchtlingsrates zu knapp bemessen sind - klappt laut Priebe aber gut: „Da ist für jeden reichlich da, zweimal pro Woche wird von einem Großhändler geliefert.“ Was seiner Meinung nach geändert werden muss, ist der Zustand des Gebäudes: „Es gehört grundlegend renoviert, vor allem die Sanitäranlagen.“
Sanitäranlagen sollen verbessert werden
Wie Michael Bragulla, Pressesprecher der Regierung von Niederbayern, auf Anfrage mitteilte, soll genau dies jetzt geschehen. Noch heuer sollen die Sanitäranlagen auf Vordermann gebracht werden. „Dort, wo es nötig ist, werden auch Fenster ausgetauscht, die Böden ersetzt und die Räume gestrichen“, sagt Bragulla. Grundsätzlich führe die Regierung regelmäßige Begehungen durch, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Um seine Situation zu verbessern, verlässt sich Patrick Chen nur auf sich selbst und hat deshalb zwei Briefe verfasst: Einen an die Bezirksregierung in Landshut, einen an Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU). In ihnen schildert er seine Lebensumstände und lädt sie ein, sich vor Ort ein Bild über die Lage zu machen. Seiner Meinung nach müsste vor allem etwas gegen die beengten Verhältnisse getan und mehr Räume geschaffen werden. Ob seine Zeilen etwas bewegen können, wird sich zeigen. Matthias Weinzierl vom Flüchtlingsrat hält die Chancen für gering: „Es geschieht nur etwas, wenn von der Öffentlichkeit Druck aufgebaut wird. Wenn sich Bewohner beschweren, passiert meistens nichts.“
Julia Kirchner