Bayerischer Rundfunk, 20.06.2012

Gericht erlaubt zugenähte Münder

Asylbewerber in Würzburg


Der Protest mit zugenähten Mündern und das Zeigen von Abbildungen, auf denen Protestierende mit zugenähten Mündern zu sehen sind, ist nach Auffassung des Gerichts zulässig. Das sei eine Art der freien Meinungsäußerung, so die Begründung. Die Tatsache, dass breite Teile der Bevölkerung diese Art des Protests als abstoßend oder unangemessen empfinden, sei kein Hindernis für die Asylbewerber, ihre Art des Protests frei zu wählen.

Kein Recht auf Protest im Zelt

Die Stadt hatte am 15. Juni den iranischen Asylbewerbern verboten, ihrem Unmut auf diese Art Luft zu machen. Begründung des Ordnungsamtes: Vor allem Kinder müssten vom Anblick der Selbstverstümmelung verschont bleiben. In einem anderen Punkt setzte sich die Kommune aber durch: So dürfen die Asylbewerber kein Mannschaftszelt in der Innenstadt aufstellen. Begründung: Angemeldet und genehmigt sei eine Veranstaltung unter freiem Himmel. Daraus lasse sich nicht das Recht zum Aufstellen von Pavillons und Zelten ableiten, argumentiert das Gericht. Das gleiche gelte für das Aufstellen von Toiletten, Duschen, Kühlschränke und Ventilatoren. Wer an der Kundgebung teilnehme, setze sich schließlich freiwillig der Witterung aus, urteilte das Gericht.

Protest gegen Asylbedingungen

Die Iraner protestieren seit Monaten für ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge, eine Verbesserung der Asylbedingungen und den sofortigen Stopp der Abschiebungen. Immer wieder hatten sie mit Hungerstreiks für Medienrummel gesorgt. Zuletzt hatten sich mehrere Asylbewerber die Lippen zugenäht und jegliche Nahrungsaufnahme verweigert.

Kritik an Hungerstreik

Durch das Zunähen von Lippen und den erneuten Hungerstreik hätten die Flüchtlinge "eine Grenze überschritten", kritisierte die Karlstädter Landtagsabgeordnete Simone Tolle (Die Grünen) die Protestaktion in einem offenen Brief. Dies mache "jeden politischen Dialog für die Sache aller Flüchtlinge unmöglich". Die derzeitige Protestform gefährde die Gesundheit und bringe die Iraner um die Solidarität der Bevölkerung, mahnte Tolle.

Nachahmer in Oberfranken und Schwaben

Anfang Juni hatten sich insgesamt vier Iraner die Münder zugenäht. Davon habe einer die Aktion inzwischen aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen, sagte ein Sprecher. Mittlerweile haben sich drei weitere Asylbewerber in Bayern die Münder zugenäht: eine Frau, die in Bayreuth untergebracht ist, ein Augsburger und ein weiterer Würzburger.

Quelle: Bayerischer Rundfunk

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