Mainpost, 12.05.2010

Gemeinschaftsunterkünfte: Würzburg will Heim schließen

Bürgerforum Asyl kritisiert Kompromiss von CSU und FDP

Protest auf breiter Front: Im Juni 2009 gab es in Würzburg eine Demonstration gegen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Foto: P. Friedl

Wie vertreibt sich ein Mensch die Jahre, wenn er in einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Flüchtlinge leben muss, ohne Arbeitserlaubnis, mit 40 Euro Taschengeld im Monat? Er schlafe, schlafe, schlafe, berichtete ein Äthiopier beim 2. Bürgerforum Asyl im Würzburger Rathaus. Ein anderer sagt, in der GU sei immer Stress. „Man hat keine Hoffnung, man hat keine Perspektive.“

Neun Organisationen, unter ihnen Caritas, Missionsärztliche Klinik und Deutscher Kinderschutzbund, hatten zum Bürgerforum geladen. Zu den sechs Dutzend Teilnehmern gehörten die Landtagsabgeordneten Oliver Jörg, CSU, Volkmar Halbleib, SPD, Hans Jürgen Fahn, FW, und Würzburgs Oberbürgerbürgermeister Georg Rosenthal.

Rosenthal will die GU schließen, die Flüchtlinge sollen in „akzeptable Verhältnisse“ in eigene Wohnungen ziehen dürfen. Der OB kritisierte den Freistaat, weil der die Flüchtlinge entgegen früheren Zusicherungen auf wenige Unterkünfte konzentriert. Es könne nicht sein, „dass die Stadt die gesamte Asylpolitik lösen muss“. In Leverkusen leben Flüchtlinge in eigenen Wohnungen; Angaben der Stadt zufolge soll das erheblich kostengünstiger sein als die Unterbringung im Lager. Beifall erntete FW-Mann Fahn, der meinte, Kosten dürften keine Rolle spielen, wenn es um die Menschenwürde geht.

Gegenwärtig leben rund 330 Kinder, Frauen und Männer in der Würzburger GU. August Stich, der Vorsitzende des Missionsärztlichen Instituts, berichtete von einer schwierigen medizinischen Situation im Lager, etwa beim Ausbruch ansteckender Krankheiten. „Die GU macht krank“, sagte er. „Hier werden Menschen körperliche und seelische Schäden zugefügt. Das System als solches ist das Problem.“

Im Freistaat einigten sich CSU und FDP auf Verbesserungen bei der Unterbringung von Flüchtlingsfamilien: Nach dem Abschluss des ersten behördlichen Asylverfahrens (nach durchschnittlich sieben Monaten) dürfen sie eine Privatwohnung beziehen. Für MdL Jörg, der sich in der CSU maßgeblich für die Flüchtlinge einsetzt, ist „das Erreichte mehr als gar nichts“. Er appellierte, ein Jahr zu warten und dann an weiteren Verbesserungen zu arbeiten.

Weil aber alle anderen Flüchtlinge mindestens vier Jahre nach Verfahrensabschluss in der GU bleiben müssen, war Enttäuschung beim Bürgerforum im Rathaus groß. Thomas Kipple, der Migrationsbeauftragte der Caritas, sagte, die Vereinbarung von CSU und FDP enthalte „so viele Einschränkungen und Hintertüren, dass sich nichts ändert“. SPD-MdL Halbleib rief auf, nun Spielräume zu nutzen, um „das Möglichste für die Menschen herauszuholen“.

Quelle: Mainpost

Zurück