Süddeutsche Zeitung, 04.12.2010

Gefährliche Stimmungsmache

Haderthauers Flüchtlings-Kritik: Reaktionen


Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) gerät für ihren harten Umgang mit Asylbewerbern stärker in die Kritik. Mittlerweile ist auch der Koalitionspartner FDP verärgert. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die auch Landeschefin der Liberalen ist, rief Haderthauer zur Mäßigung auf: "Im Umgang mit Flüchtlingen sollten Humanität und Solidarität unser Leitbild sein", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

"Mehr als zwei Drittel der Antragsteller missbrauchen unser Gastrecht", hatte Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer in der SZ über die Flüchtlinge gesagt. Dafür erntet sie nun jede Menge Kritik. (© Getty Images)

Haderthauer hatte im Interview mit der SZ Flüchtlingen massenhaften Asylmissbrauch vorgeworfen. "Mehr als zwei Drittel der Antragsteller missbrauchen unser Gastrecht", hatte sie gesagt. In einem weiteren Zeitungsinterview hatte die Ministerin erklärt: "Wer nicht zufrieden ist, kann jederzeit zurück."

Seit Tagen protestieren in bayerischen Flüchtlingsunterkünften etwa 400 Bewohner mit dem Boykott ihrer Essenspakete gegen aus ihrer Sicht unhaltbare Zustände in den Einrichtungen. Etwa 200 waren in Augsburg in einen Hungerstreik getreten. Die meisten von ihnen ernähren sich aber offenbar auf Anraten von Ärzten wieder mit Nüssen und Obst. Haderthauer lehnt bisher einen Besuch bei den Flüchtlingen ab, sie sehe keinen "objektiven Grund" für die Proteste.

Leutheusser-Schnarrenberger erinnerte Haderthauer daran, dass sich die schwarz-gelbe Koalition darauf verständigt habe, "dass die Lebenssituation von Asylbewerbern in Bayern verbessert wird". Die FDP-Politikerin sagte: "Das sollte jetzt zügig passieren."

Die Bundeschefin der Grünen, Claudia Roth aus Augsburg, sagte: "Anstatt Flüchtlinge des Asylmissbrauchs zu beschuldigen, sollte Frau Haderthauer klären, weshalb die Menschen immer noch in Massenunterkünften auf viel zu engem Raum leben müssen und es keine Aussicht auf Besserung ihrer Lebensumstände gibt."

Die Opposition im Landtag warf Haderthauer gefährliche Stimmungsmache vor. Renate Ackermann, migrationspolitische Sprecherin der Grünen, sagte, Haderthauers Äußerungen zeigten, dass es mit den früheren Lippenbekenntnissen der Ministerin für eine neue Asylsozialpolitik nicht weit her sei. Die SPD-Sozialexpertin Angelika Weikert erklärte, die Ministerin schüre mit ihren Äußerungen Ausländerfeindlichkeit. Die Freien Wähler fordern eine Versachlichung der Debatte. Der Bayerischen Flüchtlingsrat erklärte, der im Sommer zwischen CSU und FDP nach langen Verhandlungen vereinbarte Kompromiss zur Asylpolitik sei unzureichend und müsse neu verhandelt werden.

Von S. Mayr u. M. Szymanski

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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