Süddeutsche Zeitung, 09.05.2011

'Fürchterliche Bruchbude'

Flüchtlingsrat kritisiert Zustände in den Lagern Schongau und Coburg

 

Schongau und Coburg sind die beiden schlimmsten Flüchtlingslager in Bayern. Das ist das Ergebnis der Veranstaltung 'BSDS - Bayern sucht das Superlager'. Der Titel ist ironisch zu verstehen, mit der Aktion wollte der Bayerische Flüchtlingsrat zusammen mit den Kammerspielen am Samstagabend in der ehemaligen Bayernkaserne auf Missstände bei der Unterbringung von Asylbewerbern hinweisen. 110 Flüchtlingslager unterhält der Freistaat Bayern; sieben davon, aus jedem Regierungsbezirk - Oberbayern, Schwaben, Niederbayern, Oberpfalz, Ober-, Mittel- und Unterfranken - jeweils ein Lager, wurden von dort untergebrachten Flüchtlingen in Wort, Ton und Bild vorgestellt. Eine Jury wählte dann das 'krasseste Lager Bayerns'.

Schongau in Oberbayern setzte sich durch, weil es nach Angaben von Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat aus 'simplen Holzbaracken' besteht und direkt neben einem Tierheim und einem holzverarbeitenden Betrieb errichtet wurde. 'Die Hunde bellen die ganze Nacht; zudem macht das Unternehmen unheimlich viel Krach', sagt Thal. Außerdem liegt es ziemlich weit außerhalb. 'Um zum Bahnhof zu kommen, müssen die Bewohner einen Fußmarsch von 20 bis 25 Minuten auf sich nehmen.'

Auch in Coburg herrschen laut Thal schlimme Zustände. Als der Flüchtlingsrat das Lager vor etwa einem Jahr besuchte, regnete es durchs Dach, und aus offenen Steckdosen in der Wand hingen Kabel heraus. Zudem habe es nur so von Kakerlaken gewimmelt. Mittlerweile seien einige Punkte zwar verbessert worden, sagt Thal: 'Weil es sich dennoch um eine fürchterliche Bruchbude handelt, wurde das Lager ebenfalls gewählt.'

Die von etwa 120 Zuschauern besuchte Veranstaltung zog sich über mehr als zwei Stunden - viel länger als geplant. 'Die Jurymitglieder, die sich alle normalerweise wenig mit Flüchtlingsthemen befassen, waren zum Teil fassungslos und fragten intensiv nach', sagt Thal. In der Jury saßen die Kabarettistin Maria Peschek, Bernhard Wunderlich von der Rap-Gruppe Blumentopf sowie der Regisseur Bülent Kullukcu.

Von Marco Völklein

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