Passauer Neue Presse, 10.12.2009

„Für die Lage der Unterkunft können wir nichts“

Fernsehbericht über Asylbewerberunterkunft in Maisried stößt Bürgermeister Blüml sauer auf - Gespräch mit Bewohnern

Früher Ferienparadies, jetzt das Zuhause von 60 Asylbewerbern − die Gemeinschaftsunterkunft in Maisried bei Böbrach.


Böbrach. Werner Blüml ist auf 180. Anders ausgedrückt: Stinksauer. Entfacht hat den Zorn des Böbracher Bürgermeisters ein Beitrag des Magazins Südwild, der vor einigen Tagen im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darin war über die Situation eines Asylbewerbers berichtet worden, der in der Gemeinschaftsunterkunft in Maisried lebt, und sich über die abgeschiedene Lage des Wohnheims beschwert. Das hat den Böbracher Bürgermeister auf den Plan gerufen.
„Böbrach wurde dabei in ein schlechtes Licht gerückt und das lassen wir uns nicht gefallen“, wehrt sich Werner Blüml. In Zusammenhang mit dem Bericht über das Asylbewerberheim in Maisried war von „Dschungelcamp“ und dem „schlimmsten Lager in ganz Bayern“ die Rede. „In Böbrach gibt es kein Dschungelcamp und hier muss auch niemand leben wie ein Tier“, betont Blüml. Wenn etwas im Argen liege und die Gemeinde könne Abhilfe schaffen, dann sei man dazu gerne bereit. Seinen guten Ruf will sich der bei Urlaubern beliebte Ort nicht ruinieren lassen. Doch genau diese Gefahr sieht Werner Blüml. Und er hat Angst, dass die Stimmung in der Bevölkerung umschlagen könnte und bereits abgebaute Ressentiments wieder aufkeimen.


Aufeinandertreffen mit interviewter Aktivistin
Damit es nicht soweit kommt und um sich mit den Bewohnern über ihre Lage und ihre Sorgen und Nöte zu unterhalten, machte sich der Böbracher Bürgermeister am Dienstag auf den Weg zur Gemeinschaftsunterkunft in Maisried. Und traf dort auf Martina Mauer, eine Aktivistin der Initiative „Deutschland Lagerland“.
Die junge Frau war von on3-Südwild-Moderator Sebastian Winkler zu ihrer Kampagne für die Auflösung von Asylbewerberheimen interviewt worden. Dabei bezeichnete sie die Einrichtung in Maisried als „krass“. Die Bewohner würden hier bewusst isoliert, erklärte die 28-Jährige im Fernsehen.
Am Dienstag war Mauer mit einem Filmteam von Donau-TV in Maisried, um am Beispiel der Unterkunft erneut auf die Lage der Asylbewerber in Bayern aufmerksam zu machen. Ihr Ziel: Eine Änderung der „Durchführungsordnung Asyl“. Diese Forderung wiederholte sie auch beim Zusammentreffen mit dem Böbracher Bürgermeister, der erfreut darüber war, die Aktivistin zu sehen.
„Das ist gut, dass ich Sie hier treffe, wissen Sie eigentlich, was Sie mit dem Filmbeitrag angerichtet haben. Die Bürger von Böbrach sind wütend. Es ärgert sie, dass negativ in den Schlagzeilen über ihren Ort berichtet wird“, konfrontierte Blüml sie mit den Reaktionen auf den Fernsehbeitrag.
Es folgte ein Schlagabtausch, bei dem beide Seiten ihre Positionen aufzeigten. „Es geht hier nicht speziell um Maisried und auch nicht um Böbrach und die Leute, die hier leben, und nicht darum, Böbrach in ein negatives Licht zu rücken“, machte Mauer ihren Standpunkt deutlich. Vielmehr arbeite sie auf politischer Ebene. „Das Ganze ist eine bayernweite Kampagne, mit der wir das Lagerleben kritisieren“, betonte Mauer.
Blümls Einwand, die Unterkunft sei früher das „Ferienparadies Maisried“ gewesen, das vor allem wegen seiner idyllischen Lage im Wald beliebt gewesen sei, ließ sie nicht gelten. „Wenn man als Urlauber kommt, ist es wunderbar, aber das ist eine andere Ausgangslage“, betonte sie. Es mache einen Unterschied, ob ich freiwillig hierher komme, um Urlaub zu machen, oder ob ich hier leben müsse. Ihr gehe es deshalb darum, das System zu ändern.
„Die Flüchtlinge müssen Hartz-IV-Empfängern gleich gestellt werden und selbstbestimmt leben dürfen, dafür kämpfe ich, das ist meine Arbeit; ihre Arbeit ist es, sich um Böb-rach zu kümmern“, entgegnete Mauer.
„Genau deshalb bin ich hergekommen“, erklärte der Bürgermeister. Er wollte von den Bewohnern in Maisried wissen, was sie als besonders schlimm empfinden und was ihrer Meinung nach geändert werden müsste. Dabei erfuhr er, dass die Männer den Fernsehfilm gar nicht gesehen haben. „Das überrascht mich, das erklärt aber auch Einiges“, meinte Blüml.
Die Bewohner brachten noch einmal die Isolation und die Abgeschiedenheit sowie das niedrige Taschengeld von 40,90 Euro im Monat zur Sprache. „Für die Lage der Unterkunft kann die Gemeinde aber nichts, das ist Sache der Regierung“, erklärte Blüml und fügte hinzu: „Wir sind uns der Situation der Männer bewusst. Der Ort ist nicht optimal, das wissen wir auch, aber dafür können wir nichts.“
„Böbrach wellcomes you - Böbrach heißt die Asylbewerber willkommen“, meinte der Bürgermeister. Er lud die Männer ein, aktiv am Dorfgeschehen teilzunehmen und die örtlichen Veranstaltungen zu besuchen.

 

Blüml setzt sich ein für mehr Sprachunterricht

Blüml will außerdem prüfen, wie der Wunsch der Asylbewerber nach mehr Deutschunterricht erfüllt werden könne. „Möglich wäre ein Kreis von Freiwilligen, die den Männern Deutsch beibringen“, meinte er. Blüml versprach, sich darum zu kümmern. „Das Problem ist bislang noch nicht an uns herangetragen worden, das habe ich erst jetzt erfahren, aber nun kann man reagieren“, sagte der Bürgermeister.
Als Dolmetscherin Martina Mansouri, die Werner Blüml begleitete, diese Worte in Englische übersetzte, strahlten die Männer. „Ich freue mich, dass ich den Bürgermeister kennen gelernt habe und ihm sagen konnte, was mir Probleme
bereitet“, meinte einer der Asylbewerber. Ihr großer Traum, in Freiheit zu leben und selbst zu bestimmen, wie und wo sie leben, wird sich aber erst dann erfüllen, wenn ihr Asylverfahren erfolgreich abgeschlossen worden ist - oder Deutschland die Asylgesetze grundlegend ändert.


HINTERGRUND

Die Gemeinschaftsunterkunft in Maisried ist eine von 14 in ganz Niederbayern. Es gibt sie seit 2007. „Maisried war ein Übergangswohnheim für Spätaussiedler. Als davon immer weniger nach Deutschland kamen, wurde das Haus zu Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber umgewidmet. Als ehemaliges Hotel ist es dafür gut geeignet“, erklärt Regierungspräsident Heinz Grunwald auf Nachfrage. Derzeit sind 60 Asylbewerber, allesamt Männer, in dem Heim gemeldet. Sie kommen unter anderem aus Somalia, Nigeria, China und dem Irak. Sie sind aus ihren Heimatländern geflüchtet, weil sie dort um ihr Leben fürchten mussten. Kost und Logis sowie Kleidung, Medikamente und Kosmetikartikel bekommen sie von der Regierung gestellt. Jeder erhält außerdem im Monat 40,90 Euro Taschengeld. Das Geld muss für Busfahrkarten, Telefongebühren und den Anwalt reichen, der die Männer im Asylverfahren betreut.


Von Daniela Albrecht

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