Süddeutsche Zeitung, 29.09.2010

"Fremdkörper" im Wohngebiet

Das umstrittene Asylbewerberheim in der Baierbrunner Straße muss nach Ansicht der Richter geschlossen werden

Die Verlängerung der Baugenehmigung für das Asylbewerberheim in der Baierbrunner Straße ist rechtswidrig: Das Verwaltungsgericht München hat der Klage mehrerer Nachbarn am Dienstag stattgegeben. Obwohl die mündliche Verhandlung diese Tendenz schon angedeutet hatte, zeigte sich die Regierung von Oberbayern von der Entscheidung nun überrascht und möchte sie auf jeden Fall vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof überprüfen lassen.

Es gibt für das Urteil zwar noch keine schriftliche Begründung, aber das Gericht erklärte einige aus seiner Sicht wesentliche Aspekte: Die unmittelbare Umgebung sei ein "reines Wohngebiet" - das Aufnahme-Heim dagegen werde für Aufgaben genutzt, die weit über das betroffenen Gebiet hinaus gehen. Es stelle hier eine Art "Fremdkörper" dar, der aber auch in 20 Jahren keinesfalls den Charakter des Wohngebiets verändert habe. Eine zentrale Anlage, die für große Teile Bayerns zuständig sei, ist nach Meinung der Richter in der Baierbrunner Straße "nicht gebietsverträglich". Auch für eine "ausnahmsweise Zulassung der Anlage im reinen Wohngebiet fehlen die Voraussetzungen", sagt das Gericht.

Die Regierung von Oberbayern, die das Heim betreibt, verweist dagegen auf frühere Verwaltungsgerichts-Entscheidungen: Damals waren die Klagen der Nachbarn noch mit der Begründung abgewiesen worden, dass die Baugenehmigung keine Nachbarrechte verletze - die Auswirkungen der Einrichtung seien keinesfalls unzumutbar. Bei diesen aus den Jahren 1989 und 1990 stammenden Entscheidungen waren aber sowohl die Baukammer wie auch der demnächst mit diesem Fall befasste VGH-Senat noch mit anderen Richtern besetzt.

Die Regierung sagt aber auch, dass sie gemeinsam mit der Stadt München seit mehr als einem Jahr nach Alternativstandorten suche. Das städtische Planungsreferat will die Regierung bei der Suche nach Alternativstandorten unterstützen: "Es ist bereits ein Gesprächstermin vereinbart." Man überlege aber auch, ebenfalls Rechtsmittel einzulegen.

Die klagenden Nachbarn sind verwundert: Einerseits würden extrem hohe Mietzinsen für solch eine menschenunwürdige Unterkunft bezahlt, andererseits habe man der Regierung immer wieder konkrete Alternativen im Stadtgebietes angeboten. Rechtsanwalt Josef Geislinger: "Doch auf solche Vorschläge ist die Behörde nie eingegangen."

Die Landtagsgrünen forderten nun umgehend die Schließung der umstrittenen Unterkunft - "die Zustände sind seit Jahren katastrophal", sagte die migrationspolitische Sprecherin Renate Ackermann. "Die Regierung von Oberbayern hat heute vom Gericht die Quittung für ihre jahrelange Untätigkeit erhalten." Der Sozialausschuss des Landtags werde sich am Donnerstag mit dem Fall Baierbrunner Straße befassen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Quelle:
www.sueddeutsche.de/O5C38f/3616631/Fremdkoerper-im-Wohngebiet.html

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