Nürnberger Zeitung, 18.04.2009

Flüchtlingsrat zur Asylpolitik: Anzeichen für eine «kleine Revolution«

Der Bayerische Flüchtlingsrat hofft auf ein Ende der zwangsweisen Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften. Mit dem Eintritt der FDP in die Staatsregierung seien die Fronten in Bewegung gekommen, sagte Flüchtlingsrat-Sprecher Alexander Thal. Bisher seien alle Versuche, die Asylbewerber nach einer Zeit in Aufnahmeeinrichtungen in normalen Wohnungen unterzubringen, an der CSU gescheitert.

Derzeit sind in Bayern noch etwas mehr als 7600 Asylbewerber in 118 Gasthöfen, ausgedienten Kasernen und Containersiedlungen gemeinschaftlich untergebracht. In der Regel müssen sich mehrere Flüchtlinge ein Zimmer teilen. Die Zustände sind nach Darstellung des Flüchtlingsrats vielfach menschenunwürdig. Lediglich bei einem bevorstehenden Besuch von Politikern oder Journalisten würden die Mängel notdürftig behoben. Angehörige unterschiedlicher Kulturen und Religionen oder einander verfeindeter Völker würden nach wie vor in einem Zimmer untergebracht.

Bayern wolle den Asylbewerbern ihren Aufenthalt im Freistaat bewusst so unangenehm wie möglich machen, um die «Bereitschaft zum Rückkehr in das Heimatland zu fördern«, sagte Thal. Flüchtlinge aus dem Irak müssten teilweise schon bis zu drei Jahren in solchen Unterkünften leben, obwohl es keine Möglichkeit gebe, sie in ihr Heimatland zurückzuführen.

Die Flüchtlings-Unterstützer sprechen jetzt von einer «kleinen Revolution«, die sich im Hintergrund anbahne. Indiz dafür seien Äußerungen von Sozialministerin Christine Haderthauer, die eine Neuausrichtung der Asylsozialpolitik angekündigt habe.

Am kommenden Donnerstag werden sich fünf Ausschüsse des Landtags in einer Parlamentsanhörung mit dem Thema befassen. Man könne erwarten, dass die Angelegenheit nicht wie bisher im Sande verlaufe, glaubt Thal. Um für ihr Anliegen im Vorfeld die Werbetrommel zu rühren, hat sich der «Flüchtlingsrat« auf eine «Lagerinventour« begeben, die ihn durch Gemeinschaftsunterkünfte in allen Regierungsbezirken führt.

Auch die Grünen kritisieren, im Freistaat würden Asylgesetze strenger als in anderen Bundesländern auslegt. «Bei der Umsetzung des Bundesrechts wird in Bayern besonders schikanös verfahren«, sagte die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause. Das Innenministerium wies darauf hin, dass die meisten der in den Gemeinschaftsunterkünften lebenden Flüchtlinge Deutschland eigentlich verlassen müssten. Die Abschaffung der Unterkünfte habe mit einer sinnvollen Integrationspolitik nichts zu tun.

Ralf Müller

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