Süddeutsche Zeitung, 08.03.2013

Flüchtlingsrat warnt vor Eskalation der Gewalt

Die Situation in der Bayernkaserne "gefährdet in erheblichem Maße das Kindeswohl", sagen Flüchtlingsrat und Bundesfachverband UMF. Bereits vor einem Jahr traten mehrere Jugendliche in Hungerstreik. (Foto: Alessandra Schellnegger)


Trotz der Vorfälle in der Bayernkaserne und zwei weiteren staatlichen Gemeinschaftsunterkünften hält die Regierung von Oberbayern an der Unterbringung von jugendlichen Flüchtlingen in Massenquartieren, die nicht der Jugendhilfe unterstehen, fest. Sowohl der Bundesfachverband "Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF)" als auch der Bayerische Flüchtlingsrat werfen dem Sozialministerium vor, damit weitere Eskalationen von Gewalt zu provozieren. Die Rathaus-Grünen fordern unterdessen, das Betreuungspersonal aufzustocken und das Wachpersonal interkulturell zu schulen.

Der Bundesfachverband und der Flüchtlingsrat betonen, dass die derzeitige Form der Unterbringung in der Bayernkaserne "sämtliche Jugendhilfestandards sowie die UN-Kinderrechtskonvention" verletze. Die Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne, wo bis zu 180 Flüchtlinge im Alter von 16 bis 18 Jahren einquartiert sind, "gefährdet in erheblichem Maße das Kindeswohl". Dem Sozialministerium sei längst bekannt, dass die derzeitige Situation den Jugendlichen schade.

"Die Jugendlichen leiden massiv unter den Aufnahmebedingungen." Vor einem Jahr hätten sie mit einem Hungerstreik auf ihre "desolate Lage aufmerksam gemacht". Daraufhin habe der UMF ein Modell für eine angemessene Unterbringung erarbeitet, der dem Sozialministerium vorliege. Dabei müsse derselbe Standard gelten, wie er für einheimische Jugendliche üblich sei.

Eine "Inobhutnahme" als intensive sozialpädagogische Krisenintervention erfordere einen Personalschlüssel von mindestens einer Fachkraft für jeweils zwei Jugendliche - derzeit gibt es in der Bayernkaserne aber nur einen Betreuer für oft sogar mehr als zehn Jugendliche. Auch eine Nachtbereitschaft von pädagogischen Fachkräften müsse gewährleistet sein. In der Bayernkaserne ist zwischen 20 und 8 Uhr aber nur ein Bewachungsunternehmen im Einsatz.

Nachts gibt es nur Bewachung - keine Betreuung

Statt Vier-Bett-Zimmern müssten Ein- bis Zwei-Bett-Zimmer Standard sein. Die Betreuer sollten über sozialpädagogische und therapeutische Qualifikationen verfügen, zumal viele der jungen Flüchtlinge von Kriegs- und Fluchterfahrungen traumatisiert sind. Sowohl die Erstversorgung der Grundbedürfnisse wie etwa Kleidung, Essen, Ruhe und Schutz, aber auch therapeutische Hilfe müsse gewährleistet sein.

"Erst einmal gilt es, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen", forderte Niels Espenhorst vom Bundesfachverband UMF. "Der Jugendhilfeanspruch nach dem Sozialgesetzbuch VIII besteht genauso für minderjährige Flüchtlinge wie für alle anderen Jugendlichen." Zu ihrem Schutz brauche es eine Clearingstelle, die im Rahmen der Jugendhilfe betrieben wird, den Unterstützungsbedarf ermittelt und auch angemessen auffängt. "Wenn das Sozialministerium jedoch die massive Gefährdung der Jugendlichen durch die Lagerunterbringung weiterhin in Kauf nimmt", provoziere es "jede weitere Eskalation geradezu", warnt Valeska Siegert vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Die Regierung von Oberbayern hatte nach dem Gewaltausbruch in der Bayernkaserne Ende Februar, als es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern und Sicherheitspersonal sowie der Polizei gekommen war, lediglich angekündigt, den Bewachungsauftrag neu auszuschreiben. Um die Probleme in den beiden Gruppen für minderjährige Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften Max-Proebstl- und Karl-Schmid-Straße in den Griff zu bekommen, werde dort nun ein 24-Stunden-Wachdienst eingesetzt, teilte die Regierung mit.

Die beiden Gruppen mit jeweils zwölf Plätzen sollen nun zu einer Gruppe in der Max-Proebstl-Straße zusammengefasst werden. Das Sozialministerium habe außerdem auf Antrag der Caritas, die bislang mit einer halben Stelle zwölf Jugendliche betreut hat, zugestimmt, das Betreuungspersonal aufzustocken. Außerdem soll das Stadtjugendamt alle dort lebenden Jugendlichen "schnellstmöglich in bedarfsgerechte Betreuungsformen der Jugendhilfe überführen".

Sven Loerzer

Quelle: Südddeutsche Zeitung

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