epd, 16.11.2010
Flüchtlingsrat: Lage in bayerischen Flüchtlingslagern nach wie vor besorgniserregend
Die Lage in den bayerischen Flüchtlingslagern ist nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrates "besorgniserregend". Auch ein halbes Jahr nach den Landtagsbeschlüssen zur Verbesserung der Situation in den Flüchtlingslagern bestünde immer noch ein "enorm hoher Handlungsbedarf", sagte Stefan Klingbeil vom Flüchtlingsrat in Augsburg. Die beschlossenen Mindeststandards für die Gemeinschaftsunterkünfte würden fast nirgends eingehalten und die Bezirksregierungen setzten die Regelungen zum Umzug der Flüchtlinge in Privatwohnungen nicht um. Außerdem seien die Flüchtlinge behördlicher Willkür ausgesetzt.
In Regensburg wurde nach Flüchtlingsratsangaben eine Abschiebung "in letzter Sekunde gestoppt". Das bayerische Innenministerium wollte eine alleinerziehende Mutter und ihre 15-jährige Tochter in die nordkaukasische Republik Dagestan zurückschicken. Dies konnte mit einer Eilpetition mehrerer Initiativen an den Landtag abgewendet worden, wie es hieß. Der Fall der Mutter, die unbefristet beschäftigt ist und deren Tochter kurz vor dem Schulabschluss steht, soll am 24. November im Landtag verhandelt werden.
Seit Oktober informiert sich der Flüchtlingsrat in den einzelnen bayerischen Regierungsbezirken über die örtliche Situation der Flüchtlinge. Sowohl auf der Ebene der Regierungsbezirke als auch auf Landesebene herrsche "desorganisierte Planlosigkeit", sagte Klingbeil. Niemand setze sich ernsthaft mit den Problemen der Flüchtlinge auseinander. Die vom Sozialministerium im April verabschiedeten Mindeststandards für Gemeinschaftsunterkünfte wie mindestens sieben Quadratmeter pro Flüchtling und ein Anrecht auf eine angemessene Ausstattung der Küchen und Sanitäranlagen würden kaum eingehalten. In der Augsburger Unterkunft müssen sich nach Angaben eines Bewohners 100 Flüchtlinge eine Toilette teilen.
In den Ausländerbehörden registrierte Klingbeil bei der Vergabe von Reise- oder Arbeitserlaubnissen "blanke Willkür". Im Frühjahr hatte die Regierung die Aufenthaltsdauer in den Gemeinschaftsunterkünften auf eine Höchstdauer von vier Jahren begrenzt. Doch gäbe es in dem Beschluss viele ungenau formulierte Ausnahmen, die den Behörden Raum für Willkür ließen.
Auch auf dem freien Markt würden Flüchtlinge anschließend nur schwer eine Wohnung finden: "Der Markt ist rassistisch strukturiert", kritisierte Klingbeil. Er forderte ein breites Umdenken in der Gesellschaft. "Die Flüchtlinge sind in Massenunterkünften abseits der Städte untergebracht worden, weil sich die Gesellschaft weigert, sie in ihrer Mitte aufzunehmen."
Klingbeil forderte die Landesregierung auf, die Maxime ihrer Flüchtlingspolitik "Bereitschaft zur Heimkehr fördern" aufzugeben. Er verwies auf das Grundrecht auf Asyl: "Selbst wenn sein Asylantrag abgelehnt wird, müssen wir jeden Flüchtling menschenwürdig behandeln, solange er hier ist."
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