Süddeutsche Zeitung, 24.07.2012
Flüchtlingsrat greift Haderthauer an
Das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen dem Bayerischen Flüchtlingsrat und Sozialministerin Christine Haderthauer wird zusehends rauer im Ton. Nach einem Interview mit der Ministerin im Bayerischen Rundfunk anlässlich der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz wirft der Flüchtlingsrat Haderthauer nun 'Geschichtsklitterung' und eine kaum mehr zu überbietende 'Dreistigkeit' vor. Haderthauer hatte in diesem Beitrag unter anderem ihre eigenen Leistungen hervorgehoben: 'Ich denke, es hat niemand in seiner Amtszeit soviel dafür getan, dass es Asylbewerbern in Bayern deutlich besser geht.' Auch sagte die Ministerin, ihr sei schon vor zwei Jahren klar gewesen, dass die den Asylbewerbern zugebilligten Leistungen zu niedrig sind.
Aus Sicht des Bayerischen Flüchtlingsrates wolle Haderthauer die Öffentlichkeit täuschen: 'Noch im Jahr 2010 sprach sie Flüchtlingsprotesten gegen das nun erwiesenermaßen verfassungswidrige Gesetz jeglichen objektiven Grund ab', sagte Alexander Thal als Sprecher des Flüchtlingsrates am Montag. Als zahlreiche Bewohner in Bayerns Gemeinschaftsunterkünften die Annahme ihrer Essenspakete verweigerten und zum Teil in Hungerstreik traten, habe ihnen Haderthauer in einem Zeitungsinterview entgegnet: 'Wer mit den Leistungen in Deutschland nicht zufrieden ist, kann jederzeit zurück.' Das Eigenlob der Ministerin sei also 'völlig daneben', sagte Thal. Haderthauer solle lieber dafür sorgen, 'die menschenunwürdige Lagerunterbringung in Bayern sofort zu beenden'. Bayern verfolge nach wie vor die Politik, mit schlechten Lebensbedingungen 'die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland' zu fördern.
Auf die Vorwürfe, die dem Ministerium bereits seit Freitag vorliegen, ging Haderthauer auch am Montag nur am Rande ein. In ihrer Verlautbarung stellte sie stattdessen die politischen Zuständigkeiten klar: 'Die Proteste der iranischen Asylbewerber betreffen ausländerrechtliche Fragen wie das Anerkennungsverfahren oder die Verfahrensdauer, für die die Innenministerien von Bund und Ländern zuständig sind.' Auf die Kritik des Flüchtlingsrates an den Essenspaketen entgegnete Haderthauer: 'Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich die Zulässigkeit des Sachleistungsprinzips bestätigt.' dm