Rieser-Nachrichten (Nördlingen), 08.03.2008
Flüchtlinge wollen mehr Menschlichkeit im Heim
Protestaktion - Bewohner kritisieren Überbelegung und hygienische Verhältnisse. Anlaufstelle vor Ort gewünscht. Pressekonferenz mit dem Flüchtlingsrat
Besondere Kritik richtet sich dabei gegen den Heimleiter, „Er verteilt die Zimmer, bis zu sechs Personen sind auf zwölf Quadratmetern untergebracht. Dabei gibt es im Haus leer stehende Räume“, sagt Felleke Bahiru Kum, einer der Bewohner der Flüchtlingsunterkunft beim Treffen in den Räumen der Landeskirchlichen Gemeinschaft Hensoltshöhe. Der Äthiopier ist seit acht Jahren in Deutschland und kennt andere Heime. „So schlimm wie in Nördlingen war es nirgendwo“ so Felleke.
Die hygienischen Verhältnisse seien untragbar. Im Erdgeschoss müssten sich 15 Frauen, Kinder und Männer eine Dusche und eine Toilette, nebeneinander ohne Tür und Vorhang, teilen. „Die Toilette ist ein Stehklo mit einer Bodenöffnung“, so Felleke. Eine Sitztoilette im Erdgeschoss dürfen die Flüchtlinge nicht benutzen. Ein Ärgernis für alle sei das mangelnde warme Wasser. Oft fließe nur kaltes. Die Kritik am Heimleiter ergänzen andere Bewohner: Er würde Briefe tagelang vorenthalten oder sie sogar öffnen.
Privatsphäre verletzt
„Wir wissen, das wir nur geduldet sind, aber Würde und menschliche Behandlung sollten um zuteil werden", meint Felleke. Was die Nördlinger Flüchtlinge kritisieren, übersteigt nach Ansicht von Matthias Weinzierl das Maß der Lagerunterbringung und verletze Persönlichkeltsrcchtc und Privatsphäre. Als „gelegentlich schwierig“ stellen die Bewohner den Kontakt mit der Ausländerstelle beim Landratsamt in Donauwörth dar. Zum einen sei die Entfernung schuld, die Bescheinigung für einen Arztbesuch, auch im Notfall, müssten sie sich in Donauwörth holen. Sie wünschten sichch eine Anlaufstelle in Nordlingen.
Zum anderen gebe es auch zwischenmenschliche Probleme. „Vor ein paar Tagen hatte ich einen Termin, erst musste ich eine halbe Stunde warten und musste mir dann noch sagen lassen dass ich nerve“ erzählt Ahmad Mahmud.
Landrat Stefan Rößle erklärt gegenüber den RN dazu, dass man sich bei dem Mann entschuldigt habe, der von ihm zitierte Satz „er nerve“ sei nicht gefallen, Mahmud erhielt just gestern Post von der Regierung: Er wird ohne Angabe von Gründen und bereits in den nächsten Tagen nach Neu-Ulm verlegt.
Die Regierung von Schwaben, die die Verantwortung für die Gemeinschaftsunterkunft trägt, nahm gestern auf Anfrage der Rieser Nachrichten schriftlich Stellung: Die Vorwürfe sollen mit Betroffenen und dem Heimleiter erörtert werden. „Eine Überbelegung der Zimmer ist von der Regierung nicht veranlasst: Die kleineren Zimmer mit etwa 12 Quadratmeter sind für zwei Personen bemessen“, heißt es. Sanitäre Anlagen stünden nach Einschätzung der Regierung in „angemessenem Umfang“ zur Verfügung: „Die Bäder sind alle saniert.“ Das gelte auch für die Warmwasserversorgung.
Bayerischer Flüchtlingsrat
- Engagierte Einzelpersonen, Initiativen und Organisationen der Flüchtlingssolidarität haben in Bayern 1986 den Bayerischen Flüchtlingsrat als überparteilichen und überregionalen Dachverband Ins Leben gerufen. Er arbeitet als Menschenrechtsorganisation und macht sich stark für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten.
- Der Flüchtlingsrat kämpft für ein echtes Bleiberecht für Flüchtlinge und Migranten. Abschiebungen lehnt er
- strikt ab, ebenso Isolation durch die Unterbringung in Lagern.
- Er bietet Flüchtlingen, engagierten Gruppen und Einzelpersonen Beratung, Information und wenn nötig rechtlichen Beistand. Dazu versucht der Flüchtlingsrat durch Öffentlichkeitsarbeit dazu beizutragen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Flüchtlingen und Migranten wächst.
- Der Bayerische Flüchtlingsrat ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL. So gestaltet der Bayerische Flüchtlingsrat die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik mit und nimmt teil am Informationsaustausch über aktuelle Themen und Entwicklungen Im Bereich Asylpolitik und - Praxis. Pro Asyl fördert den Bayerische Flüchtlingsrat durch einen jährlichen Zuschuss für die laufende Arbeit.
Quelle www.fluechtlingsrat-bayen
VON MARIA LEISTNER