Süddeutsche Zeitung, 25.06.2013
Flüchtlinge wollen auch Trinken einstellen
Hungerstreik in München
Die Flüchtlinge im Hungerstreik in der Münchner Innenstadt haben den Druck auf die Behörden erhöht. "Wir werden nun auch nichts mehr trinken", sagte ein Sprecher der Gruppe bei einer improvisierten Pressekonferenz am Dienstag. "Wir sind uns bewusst, dass wir unser Leben und unsere Gesundheit riskieren. Die Verantwortung dafür liegt bei den deutschen Behörden."
Die Zahl der nun in einen "trockenen Hungerstreik" getretenen Menschen bezifferte ein weiterer Sprecher auf etwa 70. Die drei Kinder der Gruppe würden sich an dem Hungerstreik nicht beteiligen.
Die Flüchtlinge kommen unter anderem aus Bangladesch, Pakistan, Myanmar, Syrien und Afghanistan. Sie protestieren mit ihrer Aktion gegen die ihrer Meinung nach menschenunwürdigen Lebensumstände in bayerischen Asylbewerberheimen und fordern eine sofortige Anerkennung als politisch Verfolgte nach Artikel 16a des Grundgesetzes.
Die Protestierenden kritisieren, dass sie in Sammelunterkünften leben müssen, man sie zwangsweise mit Essenspaketen versorgt und sie der Residenzpflicht unterliegen. In einer Erklärung prangerten sie auch die Bundesregierung an, die Diktaturen politisch und wirtschaftlich unterstütze und so mitverantwortlich sei, dass viele Menschen zur Flucht gezwungen würden.
Bislang habe noch kein Vertreter der Behörden mit ihnen Kontakt aufgenommen, sagte der Sprecher am Dienstag. Er appellierte an die Bürger in Bayern, eine "menschenverachtende" Flüchtlingspolitik nicht mehr zu unterstützen.
Der Hungerstreik hatte am Samstag nach einer genehmigten Demonstration durch die Münchner Innenstadt begonnen. Ein Teil der Demonstranten ließ sich nach deren Ende auf dem Münchner Rindermarkt in der Nähe des Marienplatzes nieder und lebt dort seither in provisorischen Zelten unter primitiven Bedingungen. Sie werden von Helfern aus der linken Szene unterstützt.
Zuvor hatte sich die Situation bei der Unterbringung von Asylsuchenden in München zugespitzt, täglich kommen 25 bis 60 neue Asylbewerber an. Die Regierung von Oberbayern nutzt nun auch Plätze in der Bayernkaserne, wo die Stadt im Winter Obdachlose einquartiert hatte. Mit mehr als 1100 Asylbewerbern ist die ehemalige Kaserne bis zur Kapazitätsgrenze belegt - wie auch die anderen zehn Gemeinschaftsunterkünfte in der Landeshauptstadt.
Vergangene Woche hatte die Regierung von Oberbayern eine umstrittene Unterkunft in der St.-Veit-Straße in Berg am Laim wieder geöffnet, um der Situation überhaupt Herr werden zu können. Diese wurde im Jahr 2009 wegen unhaltbarer hygienischer Zustände geschlossen; mittlerweile warten in den Containern wieder 100 Personen auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.
Quelle: Süddeutsche Zeitung