Süddeutsche Zeitung, 29.09.2012
Flüchtlinge schlafen in Zelten
Aufnahmelager Zirndorf ist völlig überfüllt
Zirndorf - In der Kapelle schlafen Menschen und der muslimische Gebetsraum ist ebenfalls - wieder einmal - zum Schlafsaal umfunktioniert worden. Auch in der Cafeteria mussten schon Asylbewerber übernachten. Am Freitagnachmittag rückte das Rote Kreuz im Erstaufnahmelager in Zirndorf an und baute sechs beheizte Zelte auf. Darin sollen mehr als 80 Flüchtlinge unterkommen. Das Lager in Zirndorf ist völlig überfüllt. Bis zu 800 Männer, Frauen und Kinder, die Angaben zur Zahl variieren, sollen zurzeit in der Einrichtung untergebracht sein, die für höchstens 550 Menschen ausgelegt ist. Politiker und Flüchtlingsorganisationen sprechen von unhaltbaren Zuständen und fordern die Staatsregierung zum Handeln auf.
'Ein Großteil der Leute könnte morgen verteilt werden', sagt Erwin Bartsch, der sich mit Helfern der Kirchengemeinde St.Rochus schon seit fast 25 Jahren um die Asylbewerber in Zirndorf kümmert. Doch das Problem sind nicht nur die vollen Erstaufnahmelager in Zirndorf und in München - auch die staatlichen Gemeinschaftsunterkünfte sind voll und Landkreise und Städte stellen zu wenig Unterkünfte bereit. Die Stadt Erlangen beispielsweise bittet schon ihre Bürger darum, Leute aufzunehmen. In dieser Woche hat die Bezirksregierung in Mittelfranken, die für die Verteilung zuständig ist, 80 Asylbewerber an Kommunen zugewiesen. Das geht auch zwangsweise, wenn die staatlich vorgesehene Quote nicht erfüllt wird.
Der Bayerische Flüchtlingsrat sieht in der Überbelegung in Zirndorf ein politisch hausgemachtes Problem und die Bestätigung, dass die Lagerpflicht aufgehoben werden müsse. Grüne, SPD und Freie Wähler forderten eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung, was Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) zurückwies. Sie forderte wiederum mehr Wohnraum von den Kommunen und die Beschleunigung der Asylverfahren. Die Einrichtung in Zirndorf sei deswegen so überfüllt, weil unerwartet viele Asylbewerber in Bayern angekommen seien - viel mehr als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prognostiziert habe. Im September waren es 1312 Menschen gegenüber 539 Asylbewerbern im Juni. Brigitte Meyer, Sozialexpertin des Koalitionspartners FDP, kritisierte, die dramatische Lage in Zirndorf sei absehbar gewesen. 'Schon im vergangenen Jahr platzte die Einrichtung aus allen Nähten.'
Viele der Neuankömmlinge stammten aus Serbien und Mazedonien. Aus diesen Ländern sei 2011 nahezu niemand als Flüchtling anerkannt worden, sagte Haderthauer, die für heuer mit weiteren 1860neuen Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften rechnet.
Die Zelte in Zirndorf sollen nur eine Übergangslösung sein. Demnächst will die Regierung von Mittelfranken Container aufstellen, um etwa 150 zusätzliche Plätze zu schaffen.
Katja Auer
Quelle: Süddeutsche Zeitung