Augsburger Allgemeine Zeitung, 25.03.2010
Flüchtlinge klagen über miserable Unterkünfte
In einer bayernweiten Boykottwelle verweigern Flüchtlinge die zugeteilten Essenspakete. In Augsburg beteiligen sich inzwischen 126 Menschen aus drei Unterkünften, um auf die für sie unerträglichen Zustände aufmerksam zu machen. Die Menschen, die oft jahrelang dort leben müssen, sind frustriert, weil sich nichts an der Situation ändert.
Vor allem in den Sammelunterkünften für Männer neben dem Polizeipräsidium und in der ehemaligen Flak-Kaserne sieht es schlimm aus: Schimmel in Bädern, acht Leute in einem Zimmer, eine Toilette für 50 Personen, kaputte Fenster, abblätternde Farbe, verschlissenes Mobiliar. Issam Al-Robayee aus dem Irak zeigt seinen Hautausschlag: „Mein Arzt hat gesagt, den hab ich mir in der Dusche geholt.“ Andere haben Angst, dass sie sich bei Mitbewohnern in der Enge an Krankheiten anstecken. In der eingezäunten Flak-Kaserne gibt es Eingangskontrollen.
Dazu Essen, das Menschen von anderen Kontinenten nicht vertragen, das Verbot, die Stadt zu verlassen, das Verbot zu arbeiten. Viele, die ohnehin von Erlebnissen in ihrer Heimat traumatisiert sind, halten das nicht lange aus. Es gibt Probleme mit Alkohol, Drogen und Vandalismus, geben Bewohner zu. „Die Leute werden verrückt“, sagt einer. Kein Wunder, meint Mustafa Drogo aus Somalia. „So würde man keinen Hund leben lassen. Wie kann man es einem Menschen zumuten?“
Caritas und Diakonie betreuen die Menschen, kämpfen mit Projekten wie Blumen pflanzen und Gemeinschaftskochen gegen die Verzweiflung. Doch letzten Endes bleibt das Gefühl der Hilflosigkeit. Caritas-Sprecher Bernhard Gattner: „Die Zustände in den Unterkünften sind eine enorme psychische Belastung. Das wünscht man keinem.“
500 Flüchtlinge leben in den vier Augsburger Einrichtungen. „Lager“ nennt sie die Hilfsorganisation Karawane, die den Essensboykott unterstützt. Die Regierung von Schwaben, die für die Einrichtungen verantwortlich ist, verwahrt sich gegen diesen Begriff und spricht von Unterkünften. „Das macht die Zustände aber nicht besser“, sagt der Augsburger Stadtrat Benjamin Clamroth (Linke), der ein Heim besucht hat und entsetzt war.
Die Regierung von Schwaben geht in einer Stellungnahme auf die Frage nach menschenunwürdigen Zuständen nicht ein. Sprecher Karl-Heinz Meyer teilt auf AZ-Anfrage mit: „In den Unterkünften werden laufend Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt. In diesem Zusammenhang werden auch Hinweise von Bewohnern aufgegriffen.“ Doch sehe man in der Calmbergstraße „Handlungsbedarf“. Man habe bereits mit Arbeiten begonnen, weitere in Toiletten, Bädern und Küchen seien geplant - ebenso die Reparatur von Fenstern, Dach, Böden. Die Betriebskosten für Calmbergstraße und Flak-Kaserne belaufen sich Meyer zufolge auf eine Million Euro jährlich.
Ein Brennpunkt wird sich im Herbst verlagern: Die Flak-Kaserne wird geräumt, weil die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wohn- und Gewerbebauten errichten wird. Die Suche nach neuen Unterkünften ist noch nicht abgeschlossen. In Augsburger Lagern ist es eng, seit Asylbewerber aus Mindelheim und Memmingen hierher umgesiedelt wurden. Jetzt haben Bewohner Angst, dass sie in Container ziehen müssen. Zustände, die an die 80er Jahre erinnern. Damals hausten im Fabrikschloss 1000 Männer in erbärmlichen Verschlägen.
Ute Krogull
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