ddp, 22.07.2010
Flüchtlinge in Landshut verweigern Umzug nach Schöllnstein
Vorerst kommen viele von ihnen in Privatunterkünften unter
Der Bus steht am Donnerstagmittag schon bereit, um mehrere Dutzend Flüchtlinge aus Landshut in eine etwa 100 Kilometer entfernte Unterkunft zu bringen. Doch rund 80 Personen wehren sich gegen den von der Regierung von Niederbayern geplanten Umzug. Sie weigern sich, in das für den Transport nach Schöllnstein bereitgestellte Fahrzeug zu steigen. Eine Lösung des Problems wird erst nach langem Hin und Her am Nachmittag gefunden.
Unter Applaus der anwesenden Flüchtlinge und mehr als 50 Unterstützer fährt der Bus am Mittag unverrichteter Dinge wieder ab. Außer dem Fahrer ist niemand eingestiegen.
Die Flüchtlinge haben von Anfang an nicht verstanden, warum sie aus Landshut in den Landkreis Deggendorf umziehen sollten. «Warum weg» stand auf einem Plakat, das zwei Männer vor einer der heruntergekommenen Baracken an der Schönbrunnstraße in die Höhe halten. Ein 33-jähriger Iraker, der sich seit vier Jahren einen engen Raum mit einer weiteren Person teilt, sagt: «Keiner will weg.» Dabei sind die Unterkünfte völlig verdreckt, die Wände mit Schimmel übersät.
Der desolate Zustand ist aber nicht der Grund für den Umzug. Die 1992 gebauten Gebäude sollen einsturzgefährdet sein. In der vergangenen Woche waren für die Planung eines Neubaus Bohrungen auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkünfte vorgenommen worden, bei denen man auf ein großes Kellergewölbe stieß. Diese Informationen lagen zwar auch schon beim Bau der Gebäude vor knapp 20 Jahren vor, sie waren den jetzigen Verantwortlichen nach Regierungsangaben aber nicht bekannt. Kornelia Möller, Bundestagsabgeordnete der Linken aus dem Wahlkreis Landshut, wundert sich, dass plötzlich alles ganz schnell gehen muss. «Es ist ein Schmierentheater», sagt sie. «Die haben dort 18 Jahre gewohnt und jetzt besteht Einsturzgefahr.»
Möller lobt hingegen den Einsatz von Bürgern, Kirche, sozialen Einrichtungen und nicht zuletzt der Stadt Landshut, die sich nach anfänglichem Zögern für einen Verbleib der Flüchtlinge starkgemacht hat. «Alle sind dabei, nur der Regierungspräsident Heinz Grunwald blockt.»
Die Regierung sieht das anders: Man habe den Flüchtlingen eine Garantie für ihre Rückkehr nach Landshut gegeben, sagt Regierungssprecher Michael Bragulla und spricht von einem «Vertrauensbeweis». Seit Mittwoch steht fest, dass die Flüchtlinge in einer Kaserne in Landshut unterkommen können. Einziges Problem: «Die Kaserne ist definitiv nicht schon am Freitag bezugsfertig», sagt Bragulla.
Die Flüchtlinge wundern sich über den plötzlich ausgebrochenen Aktionismus. «Es sind nur ein paar Tage. Warum bleibt man nicht hier?», fragt der Iraker in gebrochenem Deutsch. Politikerin Möller sieht ein, dass die Menschen vor Ort nicht gefährdet werden dürfen, versteht aber die Verzögerung nicht. Die Stadt habe versichert, dass die nötigen Anschlüsse bis Freitag gelegt seien. «Es gibt eigentlich keine Argumente«, sagt sie.
Bragulla widerspricht: «Zwar sind bis morgen die Anschlüsse fertig. Das heißt aber nicht, dass das Gebäude betriebsbereit ist.» Die Leitungen müssten durchgespült werden, um Infektionen mit Legionellen ausschließen zu können. Außerdem müssten die Elektroleitungen überprüft werden. «Das müssen Fachfirmen machen, und die können frühestens am Montag anfangen», sagt Bragulla.
Im Laufe des Tages wird hinter den Kulissen fieberhaft nach einer Lösung des Problems gesucht. Dies gestaltet sich allerdings schwierig. Solange der Bus auf die Flüchtlinge wartet, ist die Regierung für ihr Schicksal verantwortlich. Danach geht die Zuständigkeit in die Verantwortung des Landkreises Deggendorf über, wo sie eigentlich hätten hinfahren sollen. Am Ende bemüht sich die Stadt Landshut um eine Lösung.
Von den 87 Flüchtlingen haben bis zum Nachmittag etwa 19 noch keine Bleibe für die Nacht gefunden. Die anderen kommen privat oder in einer staatlichen Unterkunft unter. Für den Rest und die wenigen Habseligkeiten der Flüchtlinge wird schließlich eine Halle aufgetan, die bis zum Abend von Diakonie und Rotem Kreuz zur Notunterkunft umgebaut wird. «Wir hoffen, bis zum Abend auch eine Trinkwasserleitung zu legen», sagt Thomas Link, Sprecher der Stadt.
Die Halle liegt in Sichtweite der Kaserne. Bis die Kaserne bezugsfertig ist, kann es noch einige Wochen dauern. Das sei aber wieder Sache der Regierung, sagt Link. Vielleicht hat das Gezerre um den Verbleib der Flüchtlinge dann ein Ende. Ihnen ist egal, wo sie in der Stadt unterkommen. Sie wären sogar noch länger in den verschimmelten Baracken geblieben. Der 33-Jährige aus dem Irak sagt: «Hauptsache in Landshut.»
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