Nürnberger Nachrichten, 29.09.2012

Feldbetten für die Flüchtlinge

Auf dem Areal der ZAE entstehen Notunterkünfte für Asylbewerber

„Besser als der nackte Holzboden“: Auf dem Gelände der Zirndorfer Asylbewerberunterkunft bauen ehrenamtliche BRK- Mitarbeiter Zelte und Feldbetten für Flüchtlinge auf. Foto: Hans-Joachim Winckler


Die drangvolle Enge in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) — wir berichteten — hat erste Notmaßnahmen zur Folge: Gestern stellte das Bayerische Rote Kreuz Mannschaftszelte auf. Darin sollen in Kürze Flüchtlinge provisorisch untergebracht werden. Unterdessen wurde immer mehr Kritik an den Zuständen und der bayerischen Asylpolitik laut.

Auf dem Hof vor dem ZAE-Gebäude herrscht am Abend geschäftiges Treiben: Gut zwei Dutzend Freiwillige ziehen Zeltplanen in Form, hämmern Heringe in die Erde, schleppen Feldbetten. Binnen einer Stunde stehen sechs Zelte, die bis zu 84 Flüchtlingen ein erstes Dach über dem Kopf bieten sollen. Im Lauf der Woche lässt die Regierung von Mittelfranken noch Holzböden, Heizgebläse und Beleuchtung installieren. Dann sind die Notquartiere bezugsfertig.

Während sich aus Fenstern des ZAE-Gebäudes Asylbewerber lehnen und das Geschehen stumm beobachten, erklären unten Regierungsvertreter den Medien, dass es sich um eine Übergangsmaßnahme handelt und dass die Zelte als Transitraum genutzt würden, nicht also zur längerfristigen Unterbringung. Schon bald sollen sie abgelöst werden von „Unterkunftsgebäuden in Schnellbauweise“. Der Auftrag ans Staatliche Bauamt Nürnberg ist raus. Robert Dirrigl, stellvertretender Leiter der ZAE, geht davon aus, dass die Container „noch vor dem Winter gebaut werden“.

Erwin Bartsch, Gemeindepädagoge der evangelischen Gemeinde St. Rochus in Zirndorf, urteilt über Feldbetten und Zelte: „Eine Ideallösung ist es nicht, aber vielleicht besser als ein Matratzenlager auf dem Kapellenboden der ZAE.“ Wie berichtet, ist der Flüchtlingsstrom so stark angeschwollen, dass selbst in der Kapelle, der Caféteria und im muslimischen Gebetsraum Asylsuchende einquartiert werden müssen.

Nach Schätzungen des Bayerischen Flüchtlingsrats leben in der auf 500 Personen ausgelegten ZAE 800 Personen, nach Angaben der Bezirksregierung sind es 675, laut Sozialministerium 755. Fest steht: Die Einrichtung platzt aus allen Nähten — und zwar trotz der aktuellen „extremen Zugangssteigerungen“, vor allem aus Serbien und Mazedonien (Sozialministerium) seit längerem.

Der Flüchtlingsrat betrachtet den Notstand als „Folge der rigiden Lagerpflicht für Flüchtlinge in Bayern“ und fordert deren sofortige Abschaffung. Im Freistaat gibt es zwei zentrale Erstaufnahmeeinrichtungen, in Zirndorf und München. Von dort werden die Asylbewerber zumeist in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Für Flüchtlingsrats-Sprecher Alexander Thal ist das die Crux. Weil Wohnungen einfacher zu finden seien als Gebäude für 50 oder mehr Menschen, folgert er, „stauen“ sich die Flüchtlinge in der ZAE. Grüne, Freie Wähler und SPD plädieren zur Entzerrung für eine dritte Aufnahmeeinrichtung, die Sozialministerin Christine Haderthauer ablehnt: Diese stieße „auch sehr schnell an ihre Kapazitätsgrenzen“.

Der Fürther Grünen-Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz findet es „erbärmlich, dass jene, die aus Elends- und Kriegsgebieten auf dieser Welt unter widrigsten Umständen fliehen müssen, nun ausgerechnet im reichen Bayern nur unter Zeltplanen Schutz finden sollen“. Er sagt: „Die Staatsregierung und die zuständige Ministerin sollten sich schämen.“

Quelle: Nürnberger Nachrichten

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