Nürnberger Nachrichten, 13.06.2009

FDP drängt auf Wende in der Asylpolitik

Schlechte Zustände in Flüchtlingsunterkünften

Triste Heimat auf Zeit: Küchentrakt in der Unterkunft für Asylbewerber in Zirndorf, Landkreis Fürth.     Foto: Harald Sippel

In der Asylpolitik bahnt sich neuer Streit zwischen den Koalitionspartnern CSU und FDP an. Derweil protestieren Menschenrechtsgruppen dagegen, dass man Flüchtlingen aus Nordbayern die Fahrt nach München zu Aktionstagen zur Abschaffung des Lagerzwangs für Asylsuchende verweigert.

Ein wenig einfacher hatten sich die Christsozialen ihre Koalition mit der FDP schon vorgestellt. «Wir sind noch immer die Stärkeren«, sagt ein Fraktionsvorständler. «Die FDP ist der Juniorpartner, nicht wir.« Dieser freilich demonstriert Selbstbewusstsein. Und setzt den Senior gewaltig unter Druck.

Musste die CSU schon beim Versammlungsgesetz und bei den Regeln für eine Onlinedurchsuchung den Liberalen sehr viel weiter entgegenkommen als den eigenen Leuten lieb war, droht nun neuer Ärger bei den Unterkünften für Asylbewerber. Die, findet die FDP-Landtagsabgeordnete Brigitte Meyer, seien «auch eine Frage der Menschenwürde«.

Radikale Wende

Meyer will die Sammelunterkünfte zwar nicht gänzlich abschaffen. Ein Jahr, sagt sie, könnten die Aslybewerber durchaus gemeinsam unter einem Dach leben. Doch sie plädiert für Ausnahmen. Alleinstehende und alleinerziehende Frauen etwa, Familien oder Schwerbehinderte, könnten genauso gut oder besser in Wohnungen oder speziellen Einrichtungen unterkommen.

Es wäre dies eine radikale Wende in der bisherigen bayerischen Asylpolitik. Das Konzept des Freistaates baut nicht auf Integration, sondern auf Abschreckung. Dazu zählen die Sammelunterkünfte ebenso wie Versorgungspakete statt Geld und Lager in abgeschiedenen Regionen ohne Handynetz oder Internet.

All das ist erklärtes Ziel der Asyldurchführungsverordnung. Sie gipfelt in dem Satz, dass das Leben in Gemeinschaftsunterkünften «die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern« solle. Getan freilich hat es das nie, sondern nur eines erreicht: dass das Leben für die Flüchtlinge in Bayern in weiten Bereichen unerträglich ist, wie die Betroffenen es beschreiben.

Suche nach neuen Ansätzen

Meyers Vorstoß allerdings bringt nicht nur die Koalition in Bedrängnis, er offenbart auch die innere Zerrissenheit der CSU. Während vor allem die Innenpolitiker um Joachim Herrmann an der restriktiven Linie festhalten wollen, suchen die Sozialpolitiker um Christine Haderthauer nach neuen Ansätzen, ob es nun um Wohnungen für die Betroffenen geht oder auch nur um den freien Zugang zum Internet – ein Gedanke, der die Innenpolitiker wiederum zur Weißglut treibt, weil sie erhebliche Sicherheitsbedenken sehen.

Dabei ist schon Bewegung in der Materie. Seit der Landtag etliche Fachleute angehört hat, weiß auch die CSU, dass in vielen Sammelunterkünften kaum hinnehmbare Zustände herrschen. Selbst Innenminister Herrmann will künftig «stärker differenzieren«, wie er das nennt.

Denn von den rund 7600 Flüchtlingen, die aktuell in Bayern leben, besitzt etwa die Hälfte den Geduldeten-Status. Diese Menschen dürfen schon deshalb im Land bleiben, weil beispielsweise eine Abschiebung in ihre Heimat nicht möglich ist. Sie aber leben über viele Jahre hier, oft mit Familie, könnten selbstständig leben, arbeiten, sich integrieren.

Gemeinsame Lösung

Die Innenpolitiker allerdings trauen dem Frieden nicht. Pauschale Regeln lehnen sie ab, aus Sicherheitsgründen. Auch unter den Geduldeten fänden sich viele, die mit falschen Angaben oder Papieren operierten. «Hier muss man strengstens über jeden Einzelfall entscheiden«, sagt der CSU-Mann Christian Meißner.

Die Gegenposition bringt mit den Liberalen nun Brigitte Meyer auf den Punkt, und sie sieht nach ersten Sondierungsgesprächen durchaus die schwarzen Sozialpolitiker hinter sich. Sie respektiere, sagt Brigitte Meyer, «dass der Partner vielleicht noch eine gewisse Zeit braucht, weil er sich neu mit dem Thema auseinandersetzen muss«. Eines aber sei klar: «Wir müssen eine gemeinsame Lösung erarbeiten. Und ich hoffe inständig, dass wir sie finden.« Finden im Sinne der FDP, versteht sich. Und im Sinne einer menschlicheren, menschenwürdigeren Regelung.

Roland Englisch

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