Neuburger Rundschau, 09.12.2008

„Es kommt etwas ins Kippen“

Asylunterkunft: Das Lager soll aufgelöst werden. Hoffnungen ruhen jetzt auf der neuen Landesregierung

Geht es nach Lothar Klingenberg soll die Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber in Neuburg aufgelöst werden. Der Vertreter der FDP und der Grünen im Kreistag will den Menschen, die aus einer Notlage heraus nach Deutschland flüchten, die wohnlichen Zustände nicht mehr zumuten. Seine Resolution soll in der nächsten Ausschusssitzung besprochen werden.

Klingenberg begründet seinen Antrag – der bisher allerdings noch nicht im Landratsamt angekommen ist – mit den bekannten Argumenten: Die Wohnbedingungen in der Gemeinschaftsunterkunft im Vierbettzimmer samt Gruppenbad und Gruppenküche seien unzumutbar. Zudem gehe es auch um den Standort Neuburg, der im oberbayernweiten Vergleich eine überdurchschnittlich große Last trage.

Tatsächlich ist Neuburg mit einer Kapazität von 500 Betten eine der größten Unterkünfte in Bayern und Deutschland. „Die Hauptlast in Oberbayern trägt München, aber gleich danach kommt Neuburg“, so die Einschätzung Alexander Thals vom Bayerischen Flüchtlingsrat und Vorsitzender des Runden Tisches in Neuburg. Derzeit leben 297 Asylanten in der Unterkunft an der Donauwörther Straße, ein Großteil der Bewohner sind Iraker.

Für seinen Antrag kann Lothar Klingenberg wohl mit der Unterstützung sämtlicher Fraktionen im Kreistag rechnen. Die SPD ist für eine Auflösung des Lagers, stellt aber die humanitären Gründe in den Vordergrund. „Dort sind Menschen unterschiedlichster Kulturen untergebracht, so dass automatisch Konflikte entstehen“, sagt Anton Kammerer von der SPD. Auch die Freien Wähler werden den Antrag wohl unterstützen: „Es wäre für Neuburg gut, die Unterkunft wegzubringen“, so Hans Scholz, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. OB Bernhard Gmehling schließt sich dem Antrag ebenfalls gern an. „Aber das ist nichts Neues. Vor zwei Jahren kam zu einer entsprechenden Resolution aus dem Stadtrat ein brüskes Nein aus München.“

Klingenberg hofft allerdings auf die neue Regierung. Zudem hat der Landtag vor knapp einer Woche entschieden, zwei Gemeinschaftsunterkünfte in München aufzulösen. Die Abgeordneten beschlossen die Metallcontainer nicht weiter zu nutzen und die Asylbewerber bis Ende des Jahres in anderen Unterkünften unterzubringen, um anschließend nach Alternativen zu suchen. Eine davon könnte auch die in Neuburg favorisierte Möglichkeit sein, private Wohnungen anzumieten. Ob das auch in Neuburg möglich wäre, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. „Wir müssen erst einmal den Antrag und die Begründung abwarten“, sagt Martin Schelter von der Regierung von Oberbayern.

Ein Leben mit Perspektive außerhalb des Lagers

Alexander Thal ist optimistischer. Seit vielen Jahren kämpft er mit dem Bayerischen Flüchtlingsrat gegen die Gemeinschaftsunterkünfte – ohne Erfolg. „Doch jetzt kommt etwas ins Kippen, was bisher wie festgemauert war“, sagt Thal. Seit dem Regierungswechsel habe ein Umdenken stattgefunden. Thal: „Ich habe berechtigte Hoffnung, dass Hilfe suchende Menschen nicht mehr in Lagern ohne Perspektive leben müssen.“


Kein zu Hause

Kommentar

Wer sich an der Diskussion über die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber beteiligen möchte, sollte zwei Dinge tun. Erstens: Ein paar Stunden in den Gebäuden an der Donauwörther Straße verbringen. Schon auf dem Weg zur Eingangstür wird sich folgendes Gefühl einstellen: Hier will ich nicht bleiben.

Zum Zweiten sollte man einen Blick in die „Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes“ werfen. In §7, Abs. 5, Satz 3 steht: „Die Verteilung und die Zuweisung darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren; sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.“ Die Botschaft ist eindeutig: Wer nach Deutschland kommt, weil er in seinem Heimatland nicht angstfrei leben kann, sollte sich nicht noch dazu ermuntert fühlen zu bleiben. Das unangenehme Gefühl vom Anfang ist gewollt. Umso trauriger ist es, dass Flüchtlinge teilweise mehr als 20 Jahre in verschiedenen Lagern verbringen.

So lange in Bayern Asylpolitik nach diesen Grundsätzen gemacht wird, kann sich auch in Neuburg nichts ändern. Warum auch? Es gibt kaum Widerstände in der Bevölkerung und das Areal ist auf lange Zeit von der Stadt gemietet. Andere, zwar mehr lebenswerte Alternativen, würden vermutlich viel Widerstand erzeugen und wären definitiv mit mehr Aufwand verbunden. Und dann würde man noch riskieren, dass die Menschen in Bayern bleiben wollen.

BARBARA FENEBERG

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