Süddeutsche Zeitung, 30.11.2011

"Ermessensentscheidungen am rechten Rand"

Kritik an der Ausländerbehörde Erlangen

 

Große Härte, üble Tricks und rassistische Motive? Der Flüchtlingsrat erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt Erlangen. Die Ausländerbehörde der mittelfränkischen Stadt setze großen Eifer daran, Asylbewerber loszuwerden. Dabei schöpfe die Kommune den rechtlichen Rahmen bis zum Äußersten aus.

Ali H. zeigt seinen blauen Pass. Der Iraner ist anerkannter Flüchtling in Deutschland, seit vier Jahren, und demnächst wird er die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Er lebt in Erlangen, verdient sein Geld als Taxifahrer. Seine Geschichte ist gut ausgegangen, nachdem er aus politischen Gründen aus Iran fliehen musste. Aber zwischendurch hat Ali H. daran nicht mehr geglaubt.

Denn ein Mitarbeiter in der Erlanger Ausländerbehörde habe alles versucht, um die Anerkennung zu verhindern. An jenem Freitag zum Beispiel, als er eine Reiseerlaubnis beantragte, um beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge persönlich einen Asylfolgeantrag stellen zu können. Er solle am Montag einfach vorbeikommen, habe ihm jener Mitarbeiter gesagt, erzählt Ali H., aber dann seien am Wochenende mitten in der Nacht zwölf Polizeibeamte aufgetaucht und hätten ihn in Abschiebehaft genommen. In Unterhosen, er habe sich nicht mal anziehen dürfen.

Einen Antrag konnte er folglich auch nicht mehr stellen, er wurde nach Iran ausgeflogen. Dort musste er ins Gefängnis, er sei gefoltert worden, bis er nach sechs Monaten schließlich fliehen konnte. Er kam zurück nach Deutschland und stellte einen neuen Asylantrag. Ein Richter in Frankfurt genehmigte den, und schon 38 Minuten später sei das Fax aus Erlangen eingetroffen. Mit dem Widerspruch jenes Mitarbeiters der Ausländerbehörde.

"Ich bin geneigt ihm rassistische Motive zu unterstellen", sagt Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat. Zusammen mit anderen Unterstützergruppen hat er am Dienstag in die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde eingeladen, wo drei Flüchtlinge von ihren Erfahrungen mit einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde berichten. Ausgerechnet in Erlangen, der von Hugenotten neu gegründeten und geprägten Stadt, die sich das Motto "Offen aus Tradition" gegeben hat.
Angst, öffentlich davon zu erzählen

Ihm seien noch mehr Beispiele zugetragen worden, sagt Thal, aber viele Flüchtlinge hätten Angst, öffentlich davon zu erzählen. Nach seiner Einschätzung gibt es keine andere Stadt in Bayern, die mit derartiger Härte gegen Flüchtlinge vorgehe. Der Mitarbeiter, den die Flüchtlingsinitiativen auch namentlich nannten, treffe Ermessensentscheidungen "am äußersten rechten Rand" und arbeite mit "großem Eifer und üblen Tricks daran, Flüchtlinge loszuwerden". Allerdings bewege sich der Mann im Rahmen des rechtlich Erlaubten, diesen Spielraum schöpfe er allerdings voll aus.

Wie im Fall der Roma-Familie Berisha aus dem Kosovo. Vater Florim weint, als er nach seiner Frau und den drei Kindern gefragt wird. Die wurden in die Slowakei abgeschoben als er gerade einen Verwandten besuchte. Hinterherreisen durfte er nicht, und die deutschen Behörde weigern sich, Frau und Kinder wieder aufzunehmen. Nun ist die Familie getrennt. "Dabei stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung", sagt Thal.

In beiden Fällen sei die CSU-geführte Stadt Erlangen lediglich ausführendes Organ des Bundesamtes gewesen, teilt die Stadt daraufhin mit. Trotzdem geht sie auf die Forderungen des Flüchtlingsrates ein: Alle Maßnahmen sollen von der Regierung von Mittelfranken überprüft werden, ließen die ehrenamtliche Bürgermeisterin und Sozialreferentin Elisabeth Preuß (FDP) und Rechtsreferentin Marlene Wüstner mitteilen. Sie nähmen die Vorwürfe sehr ernst. Eine erste Schnellprüfung habe allerdings keinen Anlass ergeben, "an der Korrektheit der verschiedenen Entscheidungen" zu zweifeln. Dennoch sollten die Vorgänge auch intern noch einmal rekapituliert werden, "nicht zuletzt weil der Schutz der Familie, aber auch ein menschlich fairer Umgang mit Menschen in schwierigen persönlichen Situationen" der Stadtverwaltung ein großes Anliegen sei.

 

Von Katja Auer

 

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