Erlanger Nachrichten, 04.02.2012

Erlanger Ausländeramt: Bayerischer VGH vermisst Einsicht

Gericht hat der Behörde schon mehrere juristische Ohrfeigen verpasst

 

Im Dezember 2009 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Ausländerbehörde diese krachende Ohrfeige verpasst. Drei Jahre lang hatte zu diesem Zeitpunkt das Ausländeramt die bestehende Rechtsprechung ignoriert.

Es ging dabei um Flüchtlinge, die den Status einer Duldung besitzen. Das bedeutet: Sie müssen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ausreisen. Mit einer speziellen Zusatzklausel — einer sogenannten Nebenbestimmung — verwehrt die Erlanger Ausländerbehörde den Flüchtlingen in bestimmten Fällen aber, zu erkennen, wann genau die Duldung erlischt.

Und das hat gravierende Folgen: Statt einer freiwilligen Ausreise drohen dann die Inhaftierung und die Abschiebung. So zu handeln, hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon seit 2006 als „rechtswidrig“ beanstandet — also drei Jahre, bevor das Gericht durch die Klage des Erlanger Rechtsanwaltes Rainer Frisch von der Praxis der Erlanger Ausländerbehörde erfuhr.



Die Reaktion des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs war dementsprechend deutlich. „Die Beklagte (die Stadt Erlangen, Anmerkung der Redaktion) hat die fragliche Nebenbestimmung jedoch gleichwohl anlässlich der Verlängerung der Duldung am 19. Januar 2009 erneut verwandt und es auch in der Zeit davor unterlassen, ihre Verwaltungspraxis der Rechtsprechung anzupassen. Diese Ausführungen lassen eine Einsicht in die Fehlerhaftigkeit des eigenen Handelns und damit zugleich auch eine Bereitschaft zu einer Korrektur auch ohne vorherige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vermissen.“
Zweite Ohrfeige

Eine zweite Ohrfeige hatte der Bayerische Verwaltunggerichtshof der Erlanger Ausländerbehörde im November 2008 erteilt.

Damals ging es um einen jungen Mann aus Afghanistan, der im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland geflüchtet und als 22-Jähriger wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war. Sein langer Aufenthalt — er hat den größten Teil seines Lebens in Deutschland verbracht — und das Strafmaß (noch Bewährung) schützte ihn vor der Abschiebung. Wenn er ab jetzt keine Straftaten mehr begehe, so die Ausländerbehörde, dürfe er in Deutschland bleiben. Das teilt das Amt dem jungen Mann schriftlich auch so mit.

Gleichzeitig aber wird es beim Bundesamt für Migration vorstellig und fordert: Das Amt solle die Abschiebungshindernisse widerrufen. Dies tut das Bundesamt. Die Erlanger Ausländerbehörde fordert daraufhin den 22-Jährigen auf, Deutschland zu verlassen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lässt dieses Verhalten nicht zu — auf der einen Seite den Aufenthalt zuzusichern und auf der anderen Seite zu versuchen, den Aufenthalt zu beenden, das gehe nicht: „Ein solches Vorgehen verstößt nicht nur gegen den allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes, sondern stellt darüber hinaus auch eine Verletzung der dem Kläger erteilten Zusicherung dar, aufenthaltsbeendende Maßnahmen ohne Hinzutreten weiterer Straftaten nicht zu ergreifen.“
Erlaubnis zu bleiben

Der junge Mann lebt inzwischen in Hamburg. Er hat, so Rechtsanwalt Rainer Frisch, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

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http://www.nordbayern.de/region/erlangen/erlanger-auslanderamt-bayerischer-vgh-vermisst-einsicht-1.1830671

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