Erlanger Nachrichten, 14.01.2012
Erlangen: Traumatisierte Frau wird nicht abgeschoben
Fall der jungen Aserbaidschanerin sorgte für Aufsehen — Aufenthaltserlaubnis in Nürnberg
Amina F. und ihre Flüchtlingsbetreuer haben allen Grund zu großer Freude. Die junge schwer traumatisierte Frau (26), die lange um ein Bleiberecht gekämpft hat, darf nun doch in Deutschland bleiben. Ihr Fall hatte öffentlich hohe Wellen geschlagen, weil ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde ihr die Reise in eine Behandlungszentrum für Folteropfer verweigert und versucht hatte, sie auszuweisen. Jetzt hat Amina F. eine Aufenthaltserlaubnis bekommen: nicht in Erlangen, aber in Nürnberg.
Amina F., die aus Aserbaidschan stammt, war als Kind entführt und sexuell missbraucht worden. Ihr Fall war im letzten Jahr bayernweit öffentlich geworden, weil der Bayerische Flüchtlingsrat und verschiedene Flüchtlingshilfsorganisationen einem Mitarbeiter der damals zuständigen Erlanger Ausländerbehörde vorgeworfen hatten, bei Ermessensspielräumen gegen die Interessen von Flüchtlingen zu entscheiden, und das Verhalten gegenüber Amina F. als ein Beispiel dafür publik gemacht hatten.
Die Erlanger Ausländerbehörde hatte Amina F. unter anderem ein Fachgutachten verwehrt, das ihre Traumatisierung bestätigen sollte. Amina F. sollte abgeschoben werden.
Nachdem die Betreuerinnen ihren Umzug nach Nürnberg erreicht hatten, ist die schwerkranke Frau von einer Nürnberger Klinikärztin untersucht und behandelt worden. Deren Attest hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei Amina F. einen Abschiebeschutz anerkannt hat. Auf dieser Grundlage hat ihr nun das Nürnberger Ausländeramt einen „Aufenthaltstitel“ verliehen, der eine Ausweisung vorerst nicht mehr zulässt.
Für die Flüchtlingsbetreuer ist diese Entwicklung des Falls ein weiterer Beleg für die restriktive Auslegung der Handlungsspielräume der Erlanger Ausländerbehörde. Wäre Amina F. die Reise in das Behandlungszentrum für Folteropfer „Exilio“ in Lindau erlaubt worden, hätte schon damals bestätigt werden können, was jetzt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt worden sei: Dass Amina F. aufgrund ihrer vielfachen schweren Erkrankungen und ihrer stark verzögerten kognitiven Entwicklung in Aserbaidschan nicht angemessen behandelt werden kann und deshalb auch nicht abgeschoben werden darf. So argumentieren etwa Anne Maya vom Internationalen Frauencafé in Nürnberg und Alexander Thal, der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates.
Der Erlanger Rechtsanwalt und Asyl-Experte Rainer Frisch sagt: „Hätte die Erlanger Ausländerbehörde Amina F. die Reise in das Behandlungszentrum für Folteropfer gestattet, wäre schon früher festgestellt worden, dass Amina F. unter Krankheiten leidet, die zur Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet. Die Stadt Erlangen hätte genauso rechtmäßig gehandelt, ihren Ermessensspielraum dann aber zugunsten des Flüchtlings ausgelegt.“
Die Rechtsreferentin der Stadt, Marlene Wüstner, hatte im EN-Interview eingeräumt, dass man sich aus heutiger Sicht frage, warum man einem so traumatisiertem Menschen diese medizinische Versorgung nicht zukommen habe lassen. Sie hatte als Erklärung für die Weigerung mit der Reisetauglichkeit Amina F.s und der Übernahme der Kosten argumentiert.
Zudem hatte Wüstner gesagt: „Auch von den angefragten Unterstützern, an die wir uns wandten, gab es keine Antwort.“ Anne Maya hält dies für einen „Schmarrn“: Warum sollten sich die Betreuer um einen Termin in dem Behandlungszentrum kümmern, wenn sie dann nicht bereit gewesen wären, Amina F. zu begleiten?
Einladung angenommen
Unabhängig davon geht die Diskussion um die Praxis der Erlanger Ausländerbehörde weiter. Die Flüchtlingsvertreter haben die Einladung der Stadt zu Gesprächen, die offensichtlich noch im Januar stattfinden sollen, angenommen.
Darüber hinaus haben die Vertreter der Flüchtlingsorganisationen in einer Pressemitteilung die Regierung von Mittelfranken kritisiert. Sie monieren, dass die Regierung einen Beschluss des Erlanger Stadtrates ignoriert habe. Das kommunale Parlament hatte die Behörde gebeten, bei der Überprüfung des Vorgehens des kritisierten Beamten der Erlanger Ausländerbehörde Berater der Flüchtlinge mit einzubeziehen. Die Regierung war dieser Empfehlung nicht nachgekommen. Sie hatte (wie berichtet) die Entscheidungen der Erlanger Ausländerbehörde als korrekt bezeichnet.
Die Flüchtlingsvertreter haben nun ihrerseits Fragenkataloge zu den von dem kritisierten Beamten bearbeiteten Fällen erstellt und diese an die Regierung und gleichzeitig an unabhängige Experten zur Beantwortung geschickt. „Wir sind nicht gewillt, das Prüfergebnis der Regierung von Mittelfranken einfach zu akzeptieren, das lediglich die juristische Korrektheit des Vorgehens des Beamten der Ausländerbehörde feststellt. Wir wollen wissen, welche Handlungsspielräume er hatte und wie er sie genutzt hat“, sagt Alexander Thal.
Quelle: Erlanger Nachrichten