Süddeutsche Zeitung, 27.03.2011

'Entsetzliche Zustände'

Linke prangern Isolation von Flüchtlingen in Schöllnstein an

 

Schöllnstein - Die Flüchtlingsunterkunft im niederbayerischen Dorf Schöllnstein steht weiter massiv in der Kritik. Nach einem Besuch des Heimes sprach Kornelia Möller, Bundestagsabgeordnete der Linken, von 'entsetzlichen Zuständen'. In der Unterkunft, die mitten im Bayerischen Wald liegt, lebe eine Frau, die im achten Monat mit Zwillingen schwanger sei. Laut Attest der Uniklinik München bedürfe sie einer ständigen medizinischen Betreuung. Allerdings sei das aufgrund der isolierten Lage des Lagers, das nur einmal in der Woche eine Busanbindung habe, nicht möglich. Die Familie müsse unverzüglich die Erlaubnis erhalten, in die Nähe einer geeigneten Klinik umzuziehen, heißt es in einem Schreiben, das Möller nach ihrem Besuch an das Regierungspräsidium Niederbayern übersandte.

Auch in einem weiteren Fall seien die Gesundheitsversorgung und auch die Fürsorgepflicht gegenüber den Bewohnern nicht gewährleistet: Ein Flüchtling habe eine Überweisung zu einem Facharzt wegen des Verdachts einer Tuberkulose-Infektion. 'Hier ist eine sofortige Verlegung in ein Krankenhaus zu veranlassen', fordert Möller. Die Abgeordnete kritisierte zudem, dass manche Flüchtlinge Ausreise-Erklärungen unterzeichnet hätten, die sie nicht verstanden hätten. Als Übersetzer der Dokumente seien andere Asylbewerber eingesetzt worden, die selbst nur gebrochen Deutsch gesprochen hätten.

Die Regierung von Niederbayern kündigte an, die Vorwürfe zu prüfen. Mangelnde Betreuung bestreitet die Behörde allerdings: Stets seien entweder die Heimleiterin oder der Hausmeister ansprechbar.In dem Dorf Schöllnstein leben etwa 90 Asylbewerber und 71 Einheimischen. Die Regierung von Niederbayern selbst sprach bislang schon von einer 'absoluten Notverwaltung', die bei steigenden Flüchtlingszahlen in Ermangelung anderer Unterkünfte in Niederbayern entstanden sei. Erst jüngst wurden Pläne bekannt, dass weitere kleine Gemeinden, unter anderem in Franken und Niederbayern, Standorte für Flüchtlingsheime werden sollen. Die immer häufiger vorgebrachte Forderung nach einer dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen lehnt die Staatsregierung bislang ab.

Von Max Hägler

Link zum Beitrag:
http://www.sueddeutsche.de/M5i38P/3992834/Entsetzliche-Zustaende.html

Zurück