Nürnberger Nachrichten, 14.03.2012

Eine vage Hoffnung

Thema Flüchtlingsunterkünfte morgen im Landtag

Gegenwärtig ist die Lage in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Zirndorf im Landkreis Fürth entspannt. Vor einigen Wochen waren die Unterkünfte dort aber hoffnungslos überfüllt. Foto: Harald Sippel


Die rigide Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften steht seit langem in der Kritik. An diesem Donnerstag wird im Landtag nun eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Doch davon werden wohl nur wenige Betroffene profitieren.

Die Einschätzungen der Fachleute waren eindeutig: In vielen bayerischen Flüchtlingsunterkünften herrschen katastrophale Zustände. Bei einer Anhörung im Landtag schilderten Experten und Betroffene selber die Lebensbedingungen in den sogenannten Gemeinschaftsunterkünften: Unbeschreibliche Enge, verdreckte Sanitäreinrichtungen, Ungeziefer.

Viele Flüchtlinge würden nach kurzer Zeit an psychischen Erkrankungen leiden, an der staatlich verordneten Untätigkeit zerbrechen, sagten die Fachleute. Die sozialen Folgekosten seien enorm. Deshalb müsse Schluss sein mit der Verpflichtung, über Jahre in solchen Einrichtungen leben zu müssen.

„Das ist wirklich ein Wandel“

Das war im April 2009. Drei Jahre später wird nun im Landtag an diesem Donnerstag wohl tatsächlich ein Entwurf zur Änderung des Aufnahmegesetzes verabschiedet. „Das ist wirklich ein struktureller Wandel“, sagt Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat, der seit Jahrzehnten für eine Abschaffung der „Flüchtlingslager“ und der dort stattfindenden Versorgung mit Essenspaketen kämpft. Einen Grund zum Jubeln gibt es laut Thal aber trotz der geplanten Neuregelungen nicht.

So sieht der Gesetzentwurf zwar vor, dass „für Familien mit Kindern sowie Alleinerziehende“ künftig die Pflicht zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft „nach Abschluss des behördlichen Erstverfahrens“ endet. Ebenso „ist in den übrigen Fällen die private Wohnsitznahme nach Ablauf von vier Jahren nach Abschluss des behördlichen Erstverfahrens“ zu gestatten.

Ohne Wirkung?

Diese Regelungen gelten aber nicht bei „Straftätern“, Flüchtlingen, die „über ihre Identität getäuscht haben oder nicht hinreichend an deren Klärung mitgewirkt haben“. Entsprechend wird laut Thal wohl „ein Großteil der Betroffenen nicht ausziehen dürfen“.

Genauso sieht es auch der Schweinfurter Rechtsanwalt Joachim Schürkens. Mit dem Begriff „Straftäter“ würden die meisten Schwerverbrechertum verbinden. Die meisten Flüchtlinge in Bayern hätten aber nur deshalb Vorstrafen, weil sie gegen die sogenannte Residenzpflicht verstoßen hätten oder ihre einzige Möglichkeit zur Flucht aus dem Heimatland gefälschte Papiere gewesen seien, strafbar als Urkundenfälschung. Zudem sei es im Zweifelsfall für die Ausländerbehörden ein Leichtes zu behaupten, der Asylsuchende habe nicht „hinreichend“ an der Klärung seiner Identität mitgewirkt.

Auch Katrin Kleemann-Mouhejri fürchtet, dass mit der Gesetzesnovellierung nur „ein neues Bürokratie-Monster“ ohne tatsächliche Wirkung entsteht. Den Antrag auf Auszug müssten die Flüchtlinge an die jeweilige Bezirksregierung stellen. Die eigentliche Genehmigung aber erteile dann die zuständige Ausländerbehörde, sagt die Sozialpädagogin, die seit Jahren in der Flüchtlingsberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Erlangen tätig ist.

Dieses Prozedere ziehe sich im Zweifelsfall über Monate hin. Ein Zeitraum, der es nahezu unmöglich mache, die eventuelle Zusage eines Vermieters für eine Wohnung zu halten. Zumal der Mietmarkt vor allem in den größeren Städten wie Würzburg, Nürnberg und München äußerst angespannt und günstiger Wohnraum knapp sei. „Die Flüchtlinge konkurrieren hier mit vielen Studenten und Hartz-IV-Beziehern und haben keine Chance.“

Hohe Kosten

Thal hofft dennoch, dass sich durch das neue Gesetz nach und nach etwas ändert. Und sei es nur, weil der bayerischen Staatsregierung irgendwann die Kosten für die Gemeinschaftsunterkünfte zu hoch werden. „Hier werden Millionen zum Fenster hinausgeworfen“, sagt Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. Allein für die zweitgrößte Gemeinschaftsunterkunft in Bayern, in Aschaffenburg, liefen jährliche Miet-, Bewirtschaftungs-, Heiz- und Personalkosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro auf — für derzeit 314 Flüchtlinge.

Die Unterbringung in einer günstigen Privatwohnung sei nach einem Gutachten des Flüchtlingsrats deutlich billiger zu haben. 2011 kamen insgesamt 7020 Flüchtlinge nach Bayern.

Arno Stoffels

Quelle: Nürnberger Nachrichten

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