Süddeutsche Zeitung, 24.04.2009

Eine echte Wende steht noch aus

Kommentar

Mit Versprechen ist Horst Seehofer großzügig. Eines unter den vielen lautet: "Als bayerischer Ministerpräsident und als CSU-Vorsitzender arbeite ich dafür, dass die Lebensgrundlagen der Menschen verbessert werden." Bislang gehören Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylbewerber, Geduldete und Ausreisepflichtige offensichtlich noch nicht zu diesen Menschen. Ihnen werden im Freistaat nach wie vor trostlose Sammelunterkünfte aufgezwungen, die für die Betroffenen vor allem eines bedeuten: Bedrückende Enge, Verlust jeglicher Privatsphäre und Rückzug in die Depression.

Hätten die Grünen im Landtag nicht vor einem Jahr ihre Besuchsprotokolle veröffentlicht, die breite Öffentlichkeit wüsste bis heute nichts von den zum Teil grauenvollen Zuständen. Schimmel an den Wänden, verwesende Ratten unter Wohncontainern, kaputte Notruftelefone, ekelerregende Sanitäranlagen und schäbige Gemeinschaftsküchen - das alles sollte den zwangseinquartierten Flüchtlingen im Grunde nur eines klarmachen: Sie sind hier nicht erwünscht. Nach wie vor machen sich die Behörden in Bayern gar nicht erst die Mühe zu verheimlichen, dass die erzwungenen Wohngemeinschaften nur einem Ziel dienen: die betroffenen Flüchtlinge so sehr unter Druck zu setzen, dass sie einer "freiwilligen Rückkehr in das Heimatland" zustimmen.

Auch wenn die schlimmsten hygienischen Mängel in den Gemeinschaftsunterkünften als Folge des öffentlichen Aufschreis beseitigt wurden, die geistige Grundhaltung der Staatsregierung hat sich nicht grundlegend gewandelt. Den Versprechen von Sozialministerin Christine Haderthauer, sie werde die Asylpolitik des Freistaats Bayern "zeitgemäß" ausrichten und den Bewohnern von Gemeinschaftsunterkünften eine "adäquate Wohnqualität" gewährleisten, sind kaum Taten gefolgt. Bei der Expertenanhörung im Landtag bemühten sich die Vertreter des Sozialministeriums gestern vielmehr darum, die Zustände in den Sammellagern schönzureden - nach dem Motto: Ist doch alles gar nicht so schlimm. Es gibt ja durchaus CSU-Sozialpolitiker, die für eine humanere Asylpolitik eintreten. Nur sind deren Stimmen zu leise, um in der Staatskanzlei Gehör zu finden. Für Horst Seehofer zählt ohnehin nur das, was bei Wahlen Stimmen bringt - und da ist die Abschaffung menschenunwürdiger Asylunterkünfte allenfalls ein Randthema.

Dietrich Mittler

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