Mittelbayerische Zeitung, 23.10.2012

Ein Mahnmal gegen Rassismus

Romani Rose hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wegen dessen Äußerungen im Zusammenhang mit der angewachsenen Zahl von Asylanträgen von Sinti und Roma aus Serbien und Mazedonien scharf kritisiert. Foto: dpa


Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats der Sinti und Roma, spricht im MZ-Interview über die Bedeutung des Denkmals für die in der NS-Zeit getöteten Sinti und Roma – und kritisiert Minister Friedrich.

Herr Rose, was bewegt Sie persönlich, wenn am Mittwoch unweit des Reichstages das Denkmal für die von Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma eingeweiht wird?

Es geht nicht so sehr um meine persönlichen Gefühle. Wir sind vielmehr dankbar für die große Anerkennung Deutschlands gegenüber den 500 000 ermordeten Sinti und Roma. Viele Jahrzehnte lang waren diese Verbrechen gewissermaßen als Anhängsel der Shoa wahrgenommen worden. Dass aber nun dieses Denkmal direkt am deutschen Parlament und unweit des symbolträchtigen Brandenburger Tores errichtet wurde, ist ein würdiger Erinnerungsort, an dem Leid unserer Minderheit Respekt gezollt wird. Die Abgeordneten werden jeden Tag daran vorbei gehen.

Es hat allerdings fast zwei Jahrzehnte gedauert, bis es zum Denkmal kam.

Wir wollen nicht auf die vergangenen Diskussionen zurückblicken. Ich glaube, dass mit diesem Ort inmitten von Berlin auch ein Akt der Wiedergutmachung stattfindet. Das findet unsere Anerkennung gegenüber dem deutschen Staat und der deutschen Politik. Dieses Denkmal soll nicht Schuld an Enkel und Urenkel der Täter von einst übertragen, sondern es ist die gemeinsame Verpflichtung, sich für den Rechtsstaat, die Demokratie, den Schutz von Minderheiten einzusetzen. Es gibt leider in vielen europäischen Staaten rechtsextreme Parteien, die für wirtschaftliche Probleme, hohe Arbeitslosigkeit Sündenböcke suchen. Und das sind oft die Sinti und Roma. Selbst da, wo es keine Angehörigen unserer Minderheit gibt, sind die Vorurteile bereits da. Dagegen müssen wir etwas tun. Die menschenverachtende geistige Haltung, die Europa in den Abgrund gerissen hat, darf nie wieder Fuß fassen.

Gehört ein Verbot der fremdenfeindlichen, rechtsextremistischen Partei dazu?

Ich bin dafür, die NPD zu verbieten, weil damit dieser menschenverachtenden geistigen Haltung und Gewalttaten eine wichtige Organisationsgrundlage entzogen würde. Die Mörder des NSU waren doch nicht alleine. Es gibt 110 untergetauchte Rechtsextremisten, die mit Haftbefehl gesucht werden. Aber fast noch erschreckender sind die vielen Menschen, die im Rechtsextremismus keine Gefahr mehr sahen und diese Entwicklung sogar mit Sympathie begleitet und vielleicht sogar tatkräftig unterstützt haben. Das hat unser Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigt. Über zehn Jahre hinweg wurden zehn Menschen umgebracht, nur weil sie anderer Herkunft waren.

Sehen Sie solche Unterstützer auch in Sicherheitsbehörden?

Ich bin sehr froh über den Thüringer Innenminister Jörg Geibert, der versucht, alles offen zu legen, was war. Es gab offenbar nicht nur V-Leute, sondern auch Beamte in den Sicherheitsapparaten, die nicht nur weggeschaut, sondern das Treiben der Rechtsextremen sogar mit Sympathie begleitet haben. Es ist unvorstellbar, was da passiert ist. Die haben den Rechtsextremismus nicht als eine Gefahr, sondern als eine Art Patriotismus angesehen.

Der Bundesinnenminister warnt vor Asylmissbrauch durch Sinti und Roma aus Mazedonien oder Serbien. Hat er Recht?

Es gibt in Mazedonien und Serbien einen Rassismus, der sehr schlimm ist. Viele Sinti und Roma verlassen deshalb diese Länder. Das Asylrecht ist ein hohes Gut. Asyl soll den Menschen gewährt werden, die aus rassischen oder politischen Gründen verfolgt werden. Man kann dies natürlich nicht pauschal sagen, sondern man muss jeden Einzelfall prüfen. Es ist eines Rechtsstaates unwürdig, wenn man diese Prüfung in einem Schnellverfahren an der Grenze durchführen will. Das Thema Asylmissbrauch an einer Minderheit wie den Sinti und Roma abzuhandeln, halte ich für mehr als diskriminierend. Da betreibt man ein Stückweit Hetze. Ich hoffe, dass das nicht bereits auf den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr gerichtet war. Es darf auch keine Retourkutsche gegen das Bundesverfassungsgericht gewesen sein, das vor einiger Zeit das Existenzminimum für Asylbewerber angehoben hat.

Interview: Reinhard Zweigler

Quelle: Mittelbayerische Zeitung

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