Junge Welt, 02.08.2011
»Die Lufthansa weigert sich, ihn zu transportieren«
Flüchtling aus Somalia kündigte an, sich gegen Abschiebung zu wehren. Air-Malta-Maschine steht in München bereit.
Ein Gespräch mit Agnes Andrae | Interview: Gitta Düperthal
Agnes Andrae ist Mitarbeiterin des bayerischen Flüchtlingsrats
Mohamed Abdilahi, der zuletzt in Haundorf in Bayern gelebt hat, soll am heutigen Dienstag nach Malta verbracht werden. Der Flüchtling somalischer Herkunft sollte bereits am 25. Juli abgeschoben werden, weigerte sich aber, das Flugzeug zu betreten.
Er saß bisher in Nürnberg in Abschiebehaft und wurde heute nach München-Stadelheim gebracht. Vom Flughafen Frankfurt am Main aus kann er zur Zeit nicht abgeschoben werden, denn die Lufthansa weigert sich, ihn zu transportieren, weil er sich schon einmal erfolgreich gegen seine Abschiebung gewehrt und angekündigt hat, es wieder zu tun. Jetzt soll dies vom Flughafen München aus passieren. Mit einer Maschine der Air Malta um 12.40 Uhr. Er steht dort auf der Passagierliste. Wir werden auch weiterhin alles tun, um seine Abschiebung zu verhindern und haben eine Faxkampagne angekurbelt. Natürlich werden wir auch mit der Fluggesellschaft Kontakt aufnehmen, und – wenn das nicht hilft – eventuell noch spontane Protestaktionen starten.
Welche Erfahrungen hatte Mohamed Abdilahi in Malta gemacht, als er 2008 vor dem Bürgerkrieg aus Somalia dorthin flüchtete, und warum warnen Menschenrechtsgruppen, nach Malta abzuschieben?
Als Mohamed in Malta in Haft war, wurde er ein Jahr lang in eine Halle mit 300 anderen Gefangenen gesperrt. Dort mußte er – wie die anderen auch – in einem Mehrstockbett schlafen. Als er wieder frei kam, wurde er in einem Zeltlager untergebracht, wo jeweils sechs Leute in einem Zelt leben mußten. Pro Monat erhielt er 90 Euro Grundversorgung, damit hätte er klarkommen müssen – die sei aber jeweils nach einer Woche aufgebraucht gewesen. Deshalb ist er weiter nach Deutschland geflüchtet. Wegen dieser inhumanen Bedingungen warnen auch Menschenrechtler vor Abschiebungen nach Malta. Wer illegal von Malta ausgereist ist, läuft außerdem Gefahr, dort wieder in Haft genommen zu werden. Davor hat Mohamed große Angst, deshalb hat er auch gesagt, er wolle lieber sterben, als nach Malta zurückzukehren.
Selbst CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich hat kürzlich angekündigt, Malta durch die Aufnahme von Flüchtlingen zu entlasten – wie können Sie sich erklären, daß dennoch Abschiebungen dorthin erfolgen sollen?
Das ist nicht zu erklären, sondern völlig unlogisch und widersprüchlich, daß trotzdem eine Abschiebung dorthin erfolgen soll. Das alles hängt rein formal mit der »Dublin-II-Verordnung« zusammen, derzufolge das europäische Land für den Asylantrag eines Flüchtlings zuständig ist, das dieser als erstes betreten hat – in Mohameds Fall war das unglücklicherweise Malta. Dennoch hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) sehr wohl die Möglichkeit, den Asylantrag zu übernehmen, hat dies aber nicht getan.
Falls die Abschiebung am Dienstag nicht klappen sollte, ist die Frist abgelaufen, und Mohamed Abdilahi kann gar nicht mehr abgeschoben werden – warum?
Es gibt eine Überstellungsfrist: Deutschland fragt Malta an, ob das Land den Flüchtling zurücknimmt – von diesem Zeitpunkt an läuft eine Frist von sechs Monaten, ihn dorthin abzuschieben. Die läuft heute aus, deshalb setzt das BaMF nun alles daran, ihn abzuschieben.
Auch der syrische Kurde Abdo Basel, der zwei Monate lang in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim in Abschiebehaft war, soll abgeschoben werden – nach Italien, das Land, das er als erstes nach seiner Flucht betreten hat. Was macht aus der Sicht des bayerischen Flüchtlingsrats auch diese geplante Abschiebung besonders skandalös?
Abdo ist erst 16 Jahre alt. Er wurde in Abschiebehaft genommen, obgleich er eine Tante und einen Onkel in Magdeburg hat, die ihn gern aufnehmen und für ihn sorgen würden. Er ist glücklicherweise am Samstag aus dem Gefängnis entlassen worden und konnte zu seinen Verwandten nach Magdeburg fahren; die Abschiebung ist aber weiterhin geplant. Auch hier hat das BaMF noch nicht von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht, damit der Jugendliche hier in Deutschland bleiben und in Magdeburg die Schule besuchen kann. Er kommt aus der syrischen Stadt Daara, wo zur Zeit Ausnahmezustand herrscht – in Italien wäre er ganz allein auf sich gestellt. Wir haben eine Bundestagspetition gegen diese Abschiebung eingereicht.
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