Augsburger Allgemeine Zeitung, 13.11.2010

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Flüchtlinge Die Stadt ist mit einer Resolution in München abgeblitzt. Doch die Regierung verspricht den Bewohnern der Lager kleine Verbesserungen

Gegen ihre Lebensbedingungen in Augsburger Unterkünften protestierten am Donnerstagabend Flüchtlinge. Doch bislang hat ihnen auch die Unterstützung der Stadt nicht geholfen. Foto: Anne Wall

 

Wie jeder Asylbewerber muss Hamid Golmohammad, der seit neun Jahren in Augsburg lebt, mit 40 Euro pro Monat auskommen. Sein kleines Zimmer im Flüchtlingslager teilt er sich mit einem anderen Flüchtling. „Es gibt nur ein Bett, also schlafe ich auf dem Boden“, sagt der Iraner. Die hygienischen Bedingungen in Toiletten,  Gemeinschaftsküchen und -duschen in dem Heim an der Calmbergstraße spotten jeder Beschreibung.
„Schauen Sie nur“, fordert Golmohammad seine Besucher auf und zeigt ihnen im nächsten Moment Zecken, die er „eigenhändig erlegt“ hat. „Hier wäre die perfekte Kulisse für einen Horrorfilm“, witzelt er. Mit weitaus weniger Humor betrachtet er seine Ohnmacht, eine Arbeit zu finden und als mündiger Mensch zu existieren: Trotz zahlreicher Anläufe und passabler Deutschkenntnisse habe er bislang weder Aufenthalts- noch Arbeitserlaubnis. Dennoch gibt der 40-Jährige die Hoffnung auf eine Verbesserung seiner Lebensumstände nicht auf. Wie er müssen über 600 Flüchtlinge in vier Augsburger Sammelunterkünften leben.

Mehrfach protestierten sie in diesem Jahr schon gegen die Bedingungen, am Donnerstag demonstrierten Asylsuchende und Unterstützer in der Innenstadt; am Abend schloss sich eine Friedenstafel im Lager in der Calmbergstraße an. Gemeinsam mit Politikern diskutierten die Demonstranten über ihr Anliegen: die Verbesserung ihrer Lebensumstände. Die Aktion war Teil der sogenannten Schmutzigen-Donnerstags-Tour im Herbst, die das Netzwerk „Deutschland Lagerland“
veranstaltet (wir berichteten gestern). Nachdem die vom Augsburger Stadtrat unterzeichnete Resolution mit der Forderung, die Asylunterkünfte in der Calmbergstraße und der Neusässer Straße zu schließen, vom Sozialausschuss des bayerischen Landtags abgelehnt wurde, sind die dort Untergebrachten bitter enttäuscht. Die Gemüter waren erhitzt bei der Friedenstafel am Donnerstagabend. Immer wieder mussten Ordner das Stimmengewirr eindämmen, bis sich Einzelne Gehör verschaffen konnten: Statt Massenunterkünften mit Lagercharakter fordern die Betroffenen kleine Privatwohnungen. Darüber hinaus wünschen sie sich Bargeld statt Lebensmittelpaketen. „Das Essen in den Paketen ist an der deutschen Küche orientiert. Damit können Somali, Iraner oder Iraker oft nichts anfangen“, so Anna Feininger von der Flüchtlingsinitiative Augsburg. Zumindest was die Kriterien zum Erhalt einer  Aufenthaltserlaubnis anbelangt, soll laut Gitta Schmid-Göller, kommissarische Leiterin der zuständigen Abteilung bei der Regierung von Schwaben, bis vor Weihnachten eine Lösung vorliegen. Der bislang nicht vollzogene  Landtagsentscheid sieht vor, Familien nach zwei Jahren die Möglichkeit anzubieten, das Flüchtlingslager zu verlassen. Alleinstehende müssen vier Jahre warten. Diesbezüglich herrsche zwischen CSU und FDP jedoch noch kein Konsens. Problematisch sei ferner, dass jegliche Änderung schwabenweit einheitlich seine müsse. Hinzu komme die Schwierigkeit, Vermieter für die Vergabe von Wohnungen zu gewinnen. Ziel sei aber definitiv, die Frage zu klären, wie Lager wie das in der Calmbergstraße sinnvoll aufgelöst werden können und welche Wohnstandards realisierbar wären. Mit konkreten Versprechungen hielten sich die Politiker zurück, Anna Feininger (FIA) sieht es so: „Wichtig ist, miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.“ Menschen, die scheinbar ohne Perspektive und Lebensaufgabe sind, wachsen aus ihrer Sicht an der Organisation von Aktionen.

Von Vanessa Duldner

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