Bayerische Staatszeitung, 03.08.2012
DIE FRAGE DER WOCHE Soll das Arbeitsverbot für Asylbewerber abgeschafft werden?
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JA
Von Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat
Für alle CSU-Politiker, die sich über die geplante Verkürzung des Beschäftigungsverbotes für Flüchtlinge echauffieren, habe ich eine beruhigende Nachricht: Auch weiterhin werden tausende junge Menschen voller Elan und Tatendrang bei uns ankommen, und nach einigen Jahren haben wir zerbrochene Menschen aus ihnen gemacht. Dies wird sich nur ändern, wenn jede Form von Arbeitsverbot abgeschafft wird.
Das einjährige Arbeitsverbot nach der Einreise, welches auf neun Monate verkürzt werden soll, ist dabei nur ein Teil des Potpourris der Arbeitsverbote. So besteht nach einem Jahr nur ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang. Finden Flüchtlinge eine Arbeit, wird wochenlang geprüft, ob nicht ein bevorrechtigter (deutscher) Arbeitnehmer gefunden wird. Dies kommt einem faktischen Arbeitsverbot gleich, da kaum ein Arbeitgeber sich auf das Verfahren einlässt. Hinzu kommt, dass die Ausländerbehörden Beschäftigungen nach einem Jahr genehmigen können, aber nicht müssen. Bitter ist, dass dies auch für Berufsausbildungen gilt. So haben viele Jugendliche in Bayern Ausbildungen in Aussicht, doch die Ausländerbehörden verweigern die Zustimmung. Dies alles, obwohl alleine im Jahr 2011 knapp 30 000 Ausbildungsstellen unbesetzt blieben und in vielen Branchen händeringend nach Azubis und Arbeitskräften gesucht wird.
Am Ende zahlen die Flüchtlinge, aber auch die gesamte Gesellschaft einen hohen Preis für die Arbeitsverbote. Denn auch wenn etwa zwei Drittel der Asylverfahren negativ beschieden werden, bleiben doch die meisten abgelehnten Flüchtlinge auf Dauer hier, da sie im Klage- oder Folgeverfahren erfolgreich sind oder familiäre und humanitäre Gründen, der Abschiebung entgegenstehen. Bis die Flüchtlinge jedoch einen Aufenthalt und damit eine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten, vergehen Jahre der Desintegration, der Hoffnungslosigkeit und des Stillstandes. Die psychischen Folgen tragen viele Flüchtlinge ein Leben lang mit sich, die Kosten der Desintegration haben wir alle zu tragen.
NEIN
Von Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister
Nein. Eine generelle Arbeitserlaubnis für Asylbewerber wäre ein völlig falsches Signal. Solche Forderungen gehen auch an der Realität vorbei. Wer als Flüchtling anerkannt ist, darf selbstverständlich bei uns arbeiten. Und auch Asylbewerber können nach geltendem Recht nach einem Jahr bei uns arbeiten, soweit der Arbeitsplatz nicht mit Deutschen oder Ausländern mit Aufenthaltsrecht besetzt werden kann. Fakt ist aber, dass mehr als zwei Drittel aller Asylanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt werden. Wer das Asylrecht missbraucht oder keine asylrelevanten Fluchtgründe hat, muss Deutschland wieder verlassen.
Eine generelle Arbeitserlaubnis für Asylbewerber würde nur weitere Anreize für illegale Zuwanderung schaffen. Wir dürfen diejenigen, die als Wirtschaftsflüchtlinge unser Asylrecht missbrauchen, nicht auch noch mit einer Arbeitserlaubnis belohnen. Vielmehr haben wir dafür zu sorgen, dass diese Personen nach Ablehnung ihrer Asylanträge unser Land wieder verlassen. Mit dem aktuell diskutierten Fachkräftemangel hat das alles nichts zu tun. Die meisten Asylbewerber haben entweder überhaupt keine Berufsausbildung oder verfügen lediglich über berufliche Qualifikationen, mit denen sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt wenig Chancen haben. Eine generelle Arbeitserlaubnis für Asylbewerber würde also am Fachkräftemangel nichts ändern. Hier müssen wir vielmehr vorrangig das Arbeitskräftepotenzial in der EU ausnutzen. Viele EU-Mitgliedstaaten haben eine erschreckend hohe Arbeitslosenquote. Das gilt gerade für Jugendliche. In Griechenland und Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit derzeit über 50 Prozent, in Portugal und Italien über 35 Prozent. Der Zuwanderungsanstieg aus der EU nach Deutschland zeigt, dass uns das Arbeitskräftepotenzial der EU-Mitgliedstaaten voll zur Verfügung steht. Auch vor diesem Hintergrund ist eine generelle Arbeitserlaubnis für Asylbewerber abzulehnen.