Neue Presse Coburg, 28.02.2011

"Die Familie Ghareb ist besonders bedroht"

Quelle: Neue Presse Coburg

 

Herr Klaus, warum setzt sich der Bayerische Flüchtlingsrat so stark dafür ein, dass die irakische Familie Ghareb in Coburg, in Deutschland bleiben darf?

Tobias Klaus: Die Mitglieder der Familie Ghareb sind chaldäische Christen. Deshalb sind sie im Irak besonders bedroht. Das ist der Grund, weshalb sich der Bayerische Flüchtlingsrat so stark für das Bleiberecht der Familie einsetzt. Man weiß ja, dass im Irak immer wieder Bombenanschläge auf Kirchen stattfinden, dass Christen verfolgt werden, dass es im Alltag ständig gewalttätige Übergriffe von Moslems auf Christen gibt. Ende vergangenen Jahres haben Tausende Christen Bagdad verlassen. Das ist genau die Region, in die die Familie Ghareb von Schweden aus abgeschoben werden soll.

Schweden ist aber für seine äußerst humane Flüchtlingspolitik bekannt.

Das war einmal. Mittlerweile ist die Situation so, dass Schweden als eines der ersten Länder in der Europäischen Union Christen in den Irak abschiebt. Wir haben mit unseren Kollegen in Schweden abgeklärt, dass der Abschiebebescheid für die Familie Ghareb höchstrichterlich akzeptiert ist. Da ist juristisch nichts mehr zu machen. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass eine Abschiebung in den Irak nicht zu verantworten ist.

Warum die Abschiebung von Coburg über den Umweg Schweden in den Irak?

Die erste Station der Familie Ghareb in der EU war Schweden. Deshalb prüft Deutschland nicht, was der Familie im Irak droht. Das hat Schweden bereits getan. Diese Regelung geht zurück auf die Dublin-II-Verordnung. Diese legt fest, dass ein Land, das ein Flüchtling zuerst betritt, zuständig ist für das Asylverfahren. Darauf beruft sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wir allerdings halten das im Fall der Familie Ghareb nicht für zulässig, zumal Amnesty International als auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen solche Abschiebungen kritisieren. Wir glauben, dass Schweden die Genfer Flüchtlingskonvention nicht beachtet, wenn es um Asylbewerber aus dem Irak geht. Das muss berücksichtigt werden. Deshalb fordern wir vom Bundesamt, vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, um die Familie zu schützen, zumal ein Kleinkind betroffen ist.

Heißt die Grundlinie der Politik in Bayern Abschiebung statt Integration?

Die Grundlinie lautet tatsächlich Rückkehrförderung statt Integration. Selbst wenn geduldete Flüchtlinge schon seit vielen Jahren in Bayern leben, sind sie von einer absoluten Politik der Desintegration betroffen. Das reicht soweit, dass Kinder nach dem Schulabschluss keine berufliche Ausbildung absolvieren dürfen.

Gibt es noch Möglichkeiten, dass die Familie Ghareb in Deutschland bleiben kann?

Wie gesagt: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge könnte das Selbsteintrittsrecht anwenden und ein Asylverfahren einleiten. Das wäre die konsequenteste Lösung. Das bayerische Innenministerium kann die Ausländerbehörde - in diesem Fall die Stadt Coburg - anweisen, die Abschiebung nach Schweden nicht zu vollziehen. Die dritte Möglichkeit ist, dass der Bundestag die Abschiebung stoppt, um prüfen zu lassen, ob eine Gefährdung der Familie vorliegt. Zumindest das muss passieren.

Was unternimmt der Bayerische Flüchtlingsrat jetzt?

Wir machen den Fall der Familie Ghareb öffentlich. Gleichzeitig werden über deren Anwältin Petitionen an den Bayerischen Landtag und den Bundestag eingereicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird aufgefordert, von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Das Gespräch führte Wolfgang Braunschmidt

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