Augsburger Allgemeine, 10.08.2012

Der verhinderte Altenpfleger

Viktor aus Uganda arbeitet seit einem Jahr in der Intensivstation eines Seniorenheims. Im September könnte er eine Ausbildung beginnen. Doch die Ausländerbehörde erlaubt es nicht

Viktor arbeitet hart. Morgens ab vier Uhr zwei Stunden in einer Bäckerei, danach acht Stunden in einem Altenpflegeheim der Arbeiterwohlfahrt in Augsburg, zumeist in der Intensivstation. Der 26-jährige Asylbewerber aus Uganda ist beliebt bei seinen Kollegen und geschätzt bei seinen Vorgesetzten. Er hat seine Sache in einem einjährigen, gering bezahlten Praktikum so gut gemacht, dass die Arbeiterwohlfahrt ihn gerne als Auszubildenden weiterqualifizieren möchte. Aber Viktor darf die Ausbildung im September nicht beginnen. Die Ausländerbehörde gibt ihm dazu keine Erlaubnis, weil sein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Ein Ausbildungsverhältnis würde seine Abschiebung erschweren, wenn das bald drei Jahre laufende Verfahren negativ ausgehen sollte.

Dabei wäre Viktor als Fachkraft willkommen. „Wir kriegen nicht mehr genügend Auszubildende. Wir hätten dringend Bedarf“, sagt Peter Luibl, der Verwaltungsleiter der Altenpflegeeinrichtung „Awonia“. Viktor sei hoch motiviert, fleißig und zuverlässig. Seine schwarze Hautfarbe habe noch niemanden im Heim gestört – weder die Bewohner noch die Mitarbeiter. „Es tut mir sehr leid um Viktor. Es ist doch recht ungewöhnlich, was er leistet.“ Neben dem Asylgesetz sollte es seiner Meinung nach einen „Sonderweg“ für Menschen geben, die sich bewähren und die bei uns dringend gebraucht werden. Das findet auch Renate Moser, die in dem Heim auch für Personal zuständig ist. Es sei grundsätzlich schon richtig, dass der Gesetzgeber eine Prüfung verlange, wer zu uns ins Land darf. Aber für einen wie Viktor müsse es „ein Schlupfloch“ geben. „Zu lasch ist nichts, aber knallhart ist auch nicht gut.“ Viktor ist einfach nur enttäuscht. Eigentlich hatte er vor, in seinem vierwöchigen Urlaub Fahrstunden zu nehmen, um bald den Führerschein machen zu können. Aber das lässt er jetzt sein. Ab September wird er weiter als gering bezahlter Praktikant im Altenheim arbeiten und seinen Job in der Bäckerei machen. So komme er monatlich auf insgesamt etwas mehr als 700 Euro und kann für sich selbst sorgen.

Schon in der Zeit, als er noch in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen musste, habe er immer versucht, sich sinnvoll zu betätigen. Im ersten Jahr nach seiner Aufnahme im Dezember 2009, als noch das Beschäftigungsverbot für ihn galt, nutzte er sämtliche Angebote, um etwas zu lernen – vor allem die deutsche Sprache, die er schon gut beherrscht. In seinem Heimatland Uganda habe er nach dem Abitur bis zu seiner Flucht das Geschäft seines verstorbenen Vaters weitergeführt – ein Handel mit Öl und Autoteilen. „Ich kann nicht nur rumsitzen, essen, schlafen und spazieren gehen“, sagt er. Und er wolle auf keinen Fall von Almosen leben. „Ich will arbeiten!“ Unter den momentanen Bedingungen kann er sich ein bescheidenes Zimmer leisten, in dem er immerhin – anders als zuletzt im Zweibettzimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft – nicht gestört wird, wenn er früh schlafen geht, um am nächsten Morgen um drei Uhr wieder fit für die Arbeit zu sein.

Ein Foto von sich und seinem Nachnamen möchte Viktor nicht veröffentlicht sehen. Reiner Erben von der Integrationsprojekte GmbH „Tür an Tür“ weiß auch, warum. Viktor habe Angst, dass ein kritischer Artikel ihm Nachteile bringt. Dabei sagt er kein böses Wort über die Behörde, die sein Schicksal in der Hand hat. Bei „Tür an Tür“ ist man allerdings frustriert, dass ihr vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der EU gefördertes Projekt, Flüchtlinge in Arbeit zu vermitteln, immer wieder an ausländerrechtlichen Hürden scheitert. In Bayern gelte das Prinzip, Flüchtlingen das Leben so schwer wie möglich zu machen, solange sie nicht anerkannt sind, sagt Reiner Erben. „Die Ausbildungs- und Beschäftigungsverbote machen über die Jahre aus motivierten Jugendlichen zerbrochene Menschen, die das Gefühl haben, dass alle Anstrengungen sich nicht lohnen“, sagt Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Viktor hofft immer noch, dass sein Asylverfahren positiv entschieden wird. Vielleicht kann er dann die Ausbildung in einem Jahr beginnen.

 

Quelle: Augsburger Allgemeine

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