Süddeutsche Zeitung (Dachau), 02.01.2010

Der Beton beginnt zu bröckeln

Der Wochenkommentar von SZ-Redakteur Walter Gierlich

 

Die Idee ist richtig, das Motiv fragwürdig: Wenn die CSU die Sammelunterkunft für Flüchtlinge in Dachau auflösen will, ist das für die Betroffenen eine gute Nachricht. Allerdings geht es dem Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath offenbar nicht in erster Linie darum, die Asylsuchenden
aus humanitären Gründen aus den schäbigen Baracken in richtige Wohnungen umzuquartieren. Vielmehr will man am Dachauer Image polieren, weil sich ein Flüchtlingslager in der Nähe des ehemaligen
Konzentrationslagers in der Weltöffentlichkeit nicht so gut macht. Eine späte Erkenntnis, denn schon, als die Baracken vor knapp 20 Jahren an der Kufsteiner Straße errichtet wurden, wiesen der Arbeitskreis Asyl und andere Gegner der regierungsamtlich praktizierten Abschreckungspolitik
gegenüber Flüchtlingen genau auf diesen Zusammenhang hin. Der blieb damals übrigens auch in der internationalen Presse nicht unbeachtet.

Zu Recht weisen jetzt Politiker von Grünen und SPD darauf hin, dass es nicht damit getan sein kann, das Asylbewerberlager aufzulösen. Schließlich ist die Situation für die Bewohner an den übrigen Standorten in Bayern kaum besser. Darauf hat ja sogar schon Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hingewiesen, die mit ihrem Vorstoß zur Auflösung aller Sammelunterkünfte
in Bayern allerdings kläglich an den Hardlinern ihrer Partei gescheitert ist. Immerhin sieht
es so aus, als könnte der Beton der Abwehrfront gegen Flüchtlinge selbst in der CSU anfangen
zu bröckeln.

Will man den Flüchtlingen wirklich helfen sind jedoch weitere Schritte notwendig: So muss beispielsweise endlich das Arbeitsverbot für Asylsuchende aufgehoben werden. Auch die sogenannte Residenzpflicht – europaweit nur in Deutschland praktiziert und reine Schikane – muss fallen:
Sie schreibt vor, dass Asylbewerber den Landkreis, dem sie zugewiesen sind, bei Strafe nicht ohne behördliche Erlaubnis verlassen dürfen.


Der Wochenkommentar von SZ-Redakteur Walter Gierlich

Zurück