epd, 09.02.2010
Debatte um Flüchtlingsunterbringung hält an
16 Lagerbewohner im Hungerstreik
Die Diskussion um eine menschenwürdigere Unterbringung von Asylbewerbern in Bayern hat mit dem Hungerstreik von 16 Lagerinsassen in den zwei Quartieren in Hauzenberg und Breitenberg im bayerischen Wald an Fahrt gewonnen. Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte dem epd am Dienstag, im Sinne der Asylsuchenden und ihrer Familien müssten "vernünftige Lösungen" gefunden werden. An diesem Mittwoch wollen die Grünen und der bayerische Flüchtlingsrat vor der Presse über die aktuelle Situation in den Flüchtlingsunterkünften berichten.
Während Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Hungerstreik und die Forderungen der Asylbewerber in den beiden Lagern in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagsausgabe) überzogen nannte, zeigte Haderthauer Verständnis. "Es war mir von Anfang an ein Anliegen, Bewegung in die Asylsozialpolitik des Freistaats zu bringen". Innerhalb der CSU-geführten Ministerien für Inneres und Soziales habe man sich gemeinsam mit der CSU-Fraktion in einem Positionspapier verständigt, eine abgestimmte Linie zu suchen.
Wie schwer sich die CSU mit Zugeständnissen im Sinne der Asylbewerber tut, hat vor allem die Vorsitzende des Sozialausschusses im Parlament, Brigitte Meyer (FDP) beobachten können. Die Liberale, die das Thema schon vor einem Jahr auf die Tagesordnung brachte, sagte dem epd: "Wir liegen im Moment noch weit auseinander". Meyer will die von den Wohlfahrtsverbänden heftig kritisierte Unterbringungsfrage Ende März erneut auf die Tagesordnung setzen.
Die Zeit drängt. Nach langem Schweigen über die teils unhaltbaren Zustände, nach Ortsbesichtigungen und Schließungen von Unterkünften in München geben Wohlfahrtsverbände, Unterstützerorganisationen und einzelne Abgeordnete keine Ruhe mehr.
Unterstützung kommt auch von der Caritas. Deren Direktor Hans Lindenberger nahm kein Blatt vor den Mund: "Die CSU will die seit Jahren menschenunwürdige Unterbringungsstrategie nahezu unverändert beibehalten". Leidtragende seien vor allem Kinder, die extremer Enge und einem dauerhaften Lärmpegel in den Lagern ausgesetzt seien. Berufstätige fänden dort keinen Schlaf. Die Caritas plädierte für einen auf zwei Jahre begrenzten Aufenthalt in den Gemeinschaftsunterkünften. Lindenberger: "Ich bin überrascht, dass die FDP den christlichen und sozialen Werten näher zu stehen scheint als die CSU".
Die Sozialpolitikerin der Grünen, Renate Ackermann, nannte das CSU-Positionspapier, das geringfügige Verbesserungen verspricht, eine "Rolle rückwärts". Ackermann erklärte, die Hardliner hätten sich durchgesetzt, die eine Unterbringung in kleineren Wohneinheiten blockierten. Die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias hofft auf die Hilfe der FDP.
Von der Unterstützerorganisation "Karawane" war zu erfahren, dass die Streikenden in den beiden Lagern in 14 Tagen bereits zehn Kilo abgenommen hätten. "Die Flüchtlinge sind verbittert", sagte Thomas Ott von "Karawane". Ein Bewohner in Hauzenberg habe auf ärztliche Empfehlung Traubenzucker gegessen, da er auf Medikamente angewiesen sei. Ein weiterer Flüchtling habe auf Anraten der Betreuer etwas Obst und Suppe aus Brühwürfeln zu sich genommen. Deshalb an der Ernsthaftigkeit der Hungerstreikenden zu zweifeln, bezeichnete Ott als unverständlich. Zudem stünden diese Bewohner nicht mehr auf der Liste der Streikenden.
Der Hungerstreik werde keinesfalls von außen gesteuert. "Die Leute dort kamen gemeinsam auf diese Idee. Sie wollen Geld statt Essenspakete, um sich die Nahrung selbst zu kaufen", unterstrich Ott.