junge Welt, 27.12.2007
»Das Schlimmste war, daß man mir nicht glaubte«
Äthiopier wehrte sich aus Angst vor Verfolgung gegen seine Abschiebung. Dafür wurde er angeklagt. Ein Gespräch mit Felleke Bahiru Kum
Ich hatte Angst, daß mich Leute der äthiopischen Regierung auf dem Flughafen in Addis Abeba erwarten würden. Daß man dann nichts mehr von mir erfahren würde. Daß ich verschwinden würde. So wie es anderen passiert ist. Ich hatte Angst, daß man mich umbringen würde. Denn ich gehöre den Oromo an, die ethnisch die Mehrheit der Bevölkerung stellen, und denen die Regierung pauschal unterstellt zu opponieren, obgleich nur eine Minderheit politisch aktiv ist. Vermutlich hätte ich alle Namen preisgeben müssen: Zum Beispiel von Menschen, die mir zur Flucht verholfen haben. Und von Freunden und Bekannten, mit denen ich in Deutschland in der Exilopposition über die Probleme in Äthopien informiert habe.
Sie waren von 1996 bis 2000 als Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Seka Chelkorsa im Distrikt Woreda tätig. Dann wurden Sie zur Armee einberufen. Was hat zu Ihrer Flucht nach Deutschland geführt?
Die Region, in der ich tätig war, hieß Oromiya. Dort gab es Bewegungen, um das Land zu befreien. In der Gegend waren lokale Milizen unterwegs, die Leute auf der Straße erschossen. Andere sind einfach verschwunden. Jeder, der die Regie rung nicht unterstützt hat, war quasi verdächtig, Mitglied der Befreiungsfront (Oromo Liberation Front) zu sein. Zwischen 1998 und 2000 ist die Situation durch den Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea eskaliert. Die Mehrheit der Bevölkerung war gegen die Regierung. In Addis Abeba gibt es internationale Beobachter, aber nicht in allen Teilen des Landes.
In welcher Weise waren Sie aktiv?
Ich war gegen den Krieg und wurde nicht als Soldat eingezogen, sondern als Sanitäter. Dort habe ich verletzte Soldaten mit Honig behandeln müssen, weil Medikamente fehlten. Darüber habe ich mich beschwert. Es gab viele Kindersoldaten, so auch den Sohn einer Putzfrau, die ich kannte. Er war vielleicht 14, verletzt und ganz kaputt, man hatte ihn in den Bauch und in den Kopf geschossen. Vor dem Krieg war ich Mitglied im Kreisverwaltungsrat und wurde immer wieder aufgefordert, Propaganda zu machen und junge Leute zu überzeugen, freiwillig in den Krieg zu ziehen. Das habe ich nicht getan. Einigen habe ich Atteste ausgestellt, gesundheitlich nicht tauglich zu sein. Ich kam unter Druck. Der Rechnungshof versuchte mir immer wieder zu unterstellen, ich hätte Gelder verschwendet. Ich habe auch mit Missionaren aus Finnland zusammen-gearbeitet. Davon konnte ich nur nichts sagen, als ich erstmals Asyl beantragte, weil ich sie dort gefährdet hätte.
Bevor Kriegswirren und Verfolgung begannen, hatten Sie in Äthiopien eine geachtete berufliche Stellung. Hier in Deutschland waren Sie plötzlich nichts mehr. Ihr Asyl wurde abgelehnt. Wie war das für Sie?
Es war vor allem demütigend. Ich war hier überall unbekannt, wurde als illegal eingestuft und als Lügner hingestellt. Das Schlimmste war, daß man mir nicht glauben wollte.
Sie haben einen Asylfolgeantrag gestellt, der seit einem Jahr beim Amt für Migration und Flüchtlinge liegt und noch nicht entschieden ist. Gibt es denn neue Asylgründe?
Ja, denn ich habe hier bei Afrika-Festivals über den Krieg und Hunger der Bevölkerung in Äthiopien informiert, beispielsweise in Würzburg. Dort habe ich erzählt, warum wir gegen die Regierung aufgestanden und geflüchtet sind. Bei so einem Anlaß hatten mich zwei Schwarze gefilmt. Sie sind mir aufgefallen, weil sie die Kamera immer auf meinen Bauch gehalten haben. Dorthin, wo der Festivalausweis hing, mit meinem Foto und Namen. Dann wurde ich als einer der wenigen auf einer Liste geführt, die Ausreisepapiere ausgestellt bekamen. Es waren alles Exil-Oppositionelle.
Dies hatte auch der bayrische Flüchtlingsrat recherchiert und machte Öffentlichkeitsarbeit. Aus diesem Grund bin ich aus der Justizvollzugsanstalt, in der ich seit 1. September 2006 in Abschiebehaft saß, bereits am 22. November 2006 entlassen worden.
Felleke Bahiru Kum aus Äthiopien leitete in seiner Heimat einen öffentlichen Gesundheitsdienst und ist in Deutschland als Exiloppositioneller aktiv. Der Prozeß wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wurde am 19. Dezember vertagt (jW berichtete am 20.Dezember)
Interview: Gitta Düperthal