Mainpost, 21.04.2009

„Das krasseste Lager“ in Bayern

Flüchtlingsrat über die Würzburger GU

Eine Woche lang waren Mitglieder des Bayerischen Flüchtlingsrats im Freistaat mit dem Wohnmobil unterwegs. „LagerInventour“ taufte der Rat die Reise, die auch zur Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Flüchtlinge nach Würzburg führte. Kommentar: Das Flüchtlingslager sei „das krasseste“, das sie „jemals zu Gesicht bekommen“ hätten.

Rund 450 Flüchtlinge, darunter rund 70 Kinder, leben in der GU. Knapp die Hälfte stammt aus dem Irak, 13 Prozent aus Äthiopien, neun Prozent aus dem Sudan. Die GU ist eine Militärkaserne aus den 1930er Jahren am nördlichen Stadtrand.

Noch nie, sagte Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat nach der Besichtigung, habe er ein Flüchtlingslager gesehen, „das optisch so sehr die Qualität eines Gefängnisses hat“ wie das in Würzburg. Er kritisiert Stacheldraht, Pfortenkontrolle, Ausweiskontrolle, die isolierte Lage. Die Menschen seien psychisch so kaputt, wie er das „nur von isolierten Unterkünften im Wald“ kenne.

Klaus beschreibt die Würzburger GU als „den offensichtlichsten Platz“, wo passiert, was der Freistaat im Paragraphen 7 der Bayerischen Asyldurchführungsverordnung festlegt: Die Verteilung in Sammellager solle „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“. Für Klaus heißt das: „Die Flüchtlinge sollen zermürbt werden.“

An diesem Donnerstag veranstaltet der Bayerische Landtag eine Anhörung zur Asylpolitik. 30 Experten werden berichten, unter ihnen auch der Würzburger Tropenmediziner August Stich, Vorstandsvorsitzender des Missionsärztlichen Instituts. Er erklärte in den vergangenen Monaten mehrmals, die Gemeinschaftsunterkunft mache krank. Der Bayerische Flüchtlingsrat sieht das ebenso. Klaus: „Jeder, der sich medizinisch auskennt, kommt zur gleichen Ansicht. Außer, er ist im Auftrag der Regierung unterwegs.“

Derweil erregt sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, weil der Flüchtlingsrat die Unterkünfte „Lager“ nennt. Der Minister glaubt, „wer von Lagern oder sogar Isolation spricht, will das unzutreffende Zerrbild von Haft und Freiheitsentziehung vermitteln“. Mit den Gemeinschaftsunterkünften habe das nichts zu tun. Zudem müsse die Mehrheit der GU-Bewohner das Land verlassen, weswegen „Integrationsmaßnahmen verfehlt“ wären. Der Flüchtlingsbeirat hält dagegen: Auch eine Ausreisepflicht rechtfertige keine unwürdige Unterbringung.

Zuständig für die GU ist Sozialministerin Christine Haderthauer. Sie will einer Ministeriumssprecherin zufolge die Wohnverhältnisse der Flüchtlinge verbessern und mehr auf die Bedürfnisse der Familien achten.

Zurück